„Jetzt will ich arbeiten!“
Die Schauspielerinnen Laura Maria Hänsel und Mascha Schneider über die
Rückkehr aus der Babypause, das Hineinwachsen in die Mutterrolle und Organisationskünste zwischen Theateralltag und Familienzeit
Wer im Theater arbeitet, bekommt keine Kinder! Diesen Spruch mussten sich schon einige Kolleg*innen anhören. Das Theater soll die eigene Familie ersetzen, alle Kraft und Energie möge man dem künstlerischen Beruf zur Verfügung stellen. Glücklicherweise hat dieser Satz der Realität noch nie standgehalten. Trotzdem ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht immer einfach. Geprobt wird in der Regel montags bis freitags von 10 bis 14 und von 19 bis 22 Uhr, wenn man nicht am Abend auf der Bühne steht. Auch am Wochenende wird gespielt. Die Schauspielerinnen Laura Maria Hänsel (35) und Mascha Schneider (27) sind gerade aus der Babypause zurückgekehrt. Ihre Töchter sind jeweils zwei Jahre alt. Im Interview berichten die beiden über das Muttersein in einem Beruf mit ungewöhnlichen Arbeitszeiten.
Wie lange habt ihr beide Elternzeit genommen?
Mascha Schneider: Erst nur ein halbes Jahr, und dann habe ich noch ein halbes Jahr verlängert.
Laura Maria Hänsel: Neun Monate. Dann hatte ich Glück, dass ich erstmal nicht groß besetzt war, und dann kam Corona. Damit waren es fast eineinviertel Jahre, und ich war froh darum.
Schneider: Da ist auch jede verschieden. Es gibt auch Kolleginnen, die nach drei Monaten wieder spielen. Ich hätte mir das gar nicht vorstellen können. Aber jetzt will ich arbeiten!
Hänsel: Das kann man sowieso nur so machen, wie man es selbst für richtig hält.
Schneider: Ich hatte ein blödes Gefühl, als ich um eine Verlängerung der Elternzeit bat. Ich hätte bei „Vögel“ mitspielen sollen. Aber es war dann glücklicherweise gar kein Problem, obwohl ich relativ spät Bescheid gegeben habe.
Hänsel: Wir haben ja auch Mütter im Leitungsteam, die das einschätzen und nachvollziehen können. Die haben sich das wahrscheinlich schon gedacht, dass wir die Elternzeit verlängern werden (lacht).
War es für euch der richtige Zeitpunkt für ein Kind? Mascha, du kamst ja direkt von der Schauspielschule, und es war dein erstes Theaterengagement …
Schneider: Den richtigen Zeitpunkt gibt es ja nie. Natürlich ist es schön, wenn man dann viel Geld hat. Natürlich ist es schön, wenn man schon viele tolle Rollen gespielt hat und ein Megastar ist (lacht) …
Hänsel: … aber selbst dann hast du den Druck: Wann kommst du zurück? Wie siehst du dann aus?
Schneider: Ich habe mir natürlich Gedanken gemacht, da ich noch gar nicht richtig angekommen war im Beruf. Und gleichzeitig war es auch der richtige Zeitpunkt.
Hänsel: Es hat andere Vorteile, wenn man so jung ein Kind bekommt, oder?
Schneider: Genau. Für mich war es gut, ein Jahr Elternzeit zu haben. Aber ich hatte auch Angst wieder einzusteigen, denn ich hatte viel Respekt davor, mich aufteilen zu müssen – zwischen dem Theater und meinem Kind. Zwischen den Proben kann ich jetzt beispielsweise meinen Text nur noch bedingt durchgehen.
Hänsel: Diese Ängste hatte ich aber auch.
Schauspiel ist ein körperlicher Beruf. Euer Körper hat sich sehr verändert. Wie ging es euch damit?
Schneider: Natürlich verändert sich der Körper, aber das fand ich total in Ordnung. Ich sah aus wie ein Walross (lacht).
Hänsel: Ich bewege mich gerne und treibe viel Sport. Mein Körper bittet mich regelrecht darum. Zwischenzeitlich war ich schon unsicher, ob ich wieder in meine alte Jeans passen würde. Aber es war ein ganz natürlicher Vorgang.
Schneider: Das war bei mir auch so. Ich dachte allerdings schon: Ich muss wieder fit sein für die Bühne. Wobei – durch das Muttersein wird man automatisch fit.
Hänsel (lacht): Fitter als vorher.
„Wer im Theater arbeitet, bekommt keine Kinder.“ Ist euch dieser Satz schon mal begegnet? Ist euch dieser Satz schon mal begegnet?
Hänsel: Nein, und ich halte ihn auch für sehr antiquiert. Mich hat das Mutterwerden um so viele Erfahrungen bereichert, die ich nicht missen möchte und die sicher auch wertvoll für meine Arbeit sind. Aber man muss nicht Mutter werden, um eine gute Schauspielerin zu sein.
Schneider: Ich stimme dir zu. Es ist total bereichernd, aber ich dachte immer, wenn du in diesem Beruf ein Kind bekommst, dann bist du raus oder du hast Glück. Entweder-oder. Auf der Schauspielschule hatte ich Dozentinnen, die nach den Geburten ihrer Kinder nicht mehr zurückkehren konnten. Um viele Kinder zu bekommen, ist der Beruf vielleicht nicht der passendste.
Hänsel: Ja, das ist wahrscheinlich so.
Schneider: Und die Arbeitszeiten sind nicht die besten, um ein Kind zu haben. Ich könnte diesen Beruf nicht ausüben, wenn meine Mutter nicht hier wäre. Es ist schon taff. In anderen Berufen kann man sich ja vielleicht aussuchen, wie viele Stunden man arbeitet.
Hänsel: Teilzeit gibt es so nicht, und es könnte auch schwierig im Ensemble sein, wenn man weniger arbeitet als die anderen. Vielleicht könnte man probieren, einen Vertrag zu verhandeln, dass man nur drei Stücke pro Spielzeit spielt.
Schneider: Ich habe gerade total Lust zu arbeiten und will gar nicht reduzieren.
Hänsel: Die Modelle sind so verschieden wie die Leute, die sie betreffen, und dadurch kaum vergleichbar. Ich habe auch gute Erfahrungen damit gemacht, direkt mit der Regie zu sprechen. Ich bin immer auf Verständnis gestoßen, wenn ich nicht jeden Abend proben konnte.
Schneider: Irgendwie stimmt aber auch der Satz: „Bei der Anfängergage am Theater kann man sich ein Kind gar nicht leisten.“
Und wie war es am Hans Otto Theater?
Schneider: Vor dem Verkünden meiner Schwangerschaft hatte ich große Angst, ich saß weinend im Büro der Intendantin. Aber ich wurde von allen total aufgefangen. Es gab nicht einen dummen Kommentar von irgendjemandem. Das fand ich hier schon sehr angenehm.
Hänsel: Sie haben sich alle gefreut. Womit ich nicht gerechnet hatte, ist, dass man so schnell raus ist aus dem Betrieb. Der Arbeitsschutz ist streng. Man darf ab der Bekanntgabe der Schwangerschaft nicht mehr proben. Man macht ja auf der Bühne lauter verrücktes Zeug. Nur ein paar Vorstellungen durfte ich noch spielen – und das ist schade. Mich hat es genervt, dass ich schon ein halbes Jahr vor der Geburt „ausgesondert“ wurde.
Das Kind ist krank und ihr müsst die Probe absagen. Ist das schlimm?
Hänsel: Eine Probe abzusagen ist nicht so schlimm, da ist ja alles noch im Fluss. Aber ich habe schon einen Horror davor, einmal eine Vorstellung abzusagen. Auch wenn wir Kinderkrankheitstage haben wie alle Angestellten. Trotzdem hat man ein schlechtes Gewissen.
Ihr lebt beide nicht das klassische Familienmodell. Mascha, du bist alleinerziehend, und deine Mutter hilft dir bei der Betreuung deiner Tochter. Laura, eure Familienwohnung ist in Cottbus, wo dein Lebensgefährte arbeitet, du lebst aber während der Probenzeiten hauptsächlich mit eurer Tochter in Potsdam. Das erfordert von euch beiden ein ganz schönes Organisationstalent …
Hänsel: Mascha, du bist sehr gut organisiert. Du fehlst nie und kannst alles möglich machen.
Schneider: Ja, man schafft es immer irgendwie, selbst wenn man denkt, es ist unlösbar.
Hänsel: Die Abenddienste sind das Problem – nicht die Vormittage. Von der Stadt Potsdam gibt es dafür leider kein einziges Angebot, anders als beispielsweise in Berlin. Wir sind ja nicht die einzigen Leute, die abends arbeiten: Krankenschwestern und Pfleger, Taxifahrer*innen, Leute im Einzelhandel usw. bräuchten so ein Betreuungsangebot doch auch. Außerdem gibt es keine finanzielle Unterstützung. Eine Kollegin hat mir erzählt, dass sie einmal 700 Euro im Monat für Babysitter ausgegeben hat. Das ist doch irre. Wir gehen ja arbeiten und nicht in die Disko.
Was müsste sich am Theater ändern, damit es leichter für Familien wird?
Schneider: Die finanzielle Lage der Eltern muss sich ändern, vor allem, wenn die Lebenskonzepte individuell sind.
Hänsel: Mir helfen lange Proben von 10 bis 16 Uhr. Meine Tochter stresst es, wenn ich sie von der Kita abhole und dann abends nochmal losmuss. Und auch für mich persönlich ist das angenehmer. Ich hatte Phasen, da kam ich abends gar nicht mehr runter.
Schneider: Ich mag Abendproben. Sie haben eine eigene Dynamik. Der Vorteil unseres Berufs ist ja, dass wir manchmal Freiphasen haben und nur Vorstellungen spielen. Dann hat man viel Zeit für sein Kind.
Hänsel: Stimmt – und die Nachmittagsstunden hätte man ja auch nicht in einem anderen Job.
Interview: Elena Iris Fichtner
Wie lange habt ihr beide Elternzeit genommen?
Mascha Schneider: Erst nur ein halbes Jahr, und dann habe ich noch ein halbes Jahr verlängert.
Laura Maria Hänsel: Neun Monate. Dann hatte ich Glück, dass ich erstmal nicht groß besetzt war, und dann kam Corona. Damit waren es fast eineinviertel Jahre, und ich war froh darum.
Schneider: Da ist auch jede verschieden. Es gibt auch Kolleginnen, die nach drei Monaten wieder spielen. Ich hätte mir das gar nicht vorstellen können. Aber jetzt will ich arbeiten!
Hänsel: Das kann man sowieso nur so machen, wie man es selbst für richtig hält.
Schneider: Ich hatte ein blödes Gefühl, als ich um eine Verlängerung der Elternzeit bat. Ich hätte bei „Vögel“ mitspielen sollen. Aber es war dann glücklicherweise gar kein Problem, obwohl ich relativ spät Bescheid gegeben habe.
Hänsel: Wir haben ja auch Mütter im Leitungsteam, die das einschätzen und nachvollziehen können. Die haben sich das wahrscheinlich schon gedacht, dass wir die Elternzeit verlängern werden (lacht).
War es für euch der richtige Zeitpunkt für ein Kind? Mascha, du kamst ja direkt von der Schauspielschule, und es war dein erstes Theaterengagement …
Schneider: Den richtigen Zeitpunkt gibt es ja nie. Natürlich ist es schön, wenn man dann viel Geld hat. Natürlich ist es schön, wenn man schon viele tolle Rollen gespielt hat und ein Megastar ist (lacht) …
Hänsel: … aber selbst dann hast du den Druck: Wann kommst du zurück? Wie siehst du dann aus?
Schneider: Ich habe mir natürlich Gedanken gemacht, da ich noch gar nicht richtig angekommen war im Beruf. Und gleichzeitig war es auch der richtige Zeitpunkt.
Hänsel: Es hat andere Vorteile, wenn man so jung ein Kind bekommt, oder?
Schneider: Genau. Für mich war es gut, ein Jahr Elternzeit zu haben. Aber ich hatte auch Angst wieder einzusteigen, denn ich hatte viel Respekt davor, mich aufteilen zu müssen – zwischen dem Theater und meinem Kind. Zwischen den Proben kann ich jetzt beispielsweise meinen Text nur noch bedingt durchgehen.
Hänsel: Diese Ängste hatte ich aber auch.
Schauspiel ist ein körperlicher Beruf. Euer Körper hat sich sehr verändert. Wie ging es euch damit?
Schneider: Natürlich verändert sich der Körper, aber das fand ich total in Ordnung. Ich sah aus wie ein Walross (lacht).
Hänsel: Ich bewege mich gerne und treibe viel Sport. Mein Körper bittet mich regelrecht darum. Zwischenzeitlich war ich schon unsicher, ob ich wieder in meine alte Jeans passen würde. Aber es war ein ganz natürlicher Vorgang.
Schneider: Das war bei mir auch so. Ich dachte allerdings schon: Ich muss wieder fit sein für die Bühne. Wobei – durch das Muttersein wird man automatisch fit.
Hänsel (lacht): Fitter als vorher.
„Wer im Theater arbeitet, bekommt keine Kinder.“ Ist euch dieser Satz schon mal begegnet? Ist euch dieser Satz schon mal begegnet?
Hänsel: Nein, und ich halte ihn auch für sehr antiquiert. Mich hat das Mutterwerden um so viele Erfahrungen bereichert, die ich nicht missen möchte und die sicher auch wertvoll für meine Arbeit sind. Aber man muss nicht Mutter werden, um eine gute Schauspielerin zu sein.
Schneider: Ich stimme dir zu. Es ist total bereichernd, aber ich dachte immer, wenn du in diesem Beruf ein Kind bekommst, dann bist du raus oder du hast Glück. Entweder-oder. Auf der Schauspielschule hatte ich Dozentinnen, die nach den Geburten ihrer Kinder nicht mehr zurückkehren konnten. Um viele Kinder zu bekommen, ist der Beruf vielleicht nicht der passendste.
Hänsel: Ja, das ist wahrscheinlich so.
Schneider: Und die Arbeitszeiten sind nicht die besten, um ein Kind zu haben. Ich könnte diesen Beruf nicht ausüben, wenn meine Mutter nicht hier wäre. Es ist schon taff. In anderen Berufen kann man sich ja vielleicht aussuchen, wie viele Stunden man arbeitet.
Hänsel: Teilzeit gibt es so nicht, und es könnte auch schwierig im Ensemble sein, wenn man weniger arbeitet als die anderen. Vielleicht könnte man probieren, einen Vertrag zu verhandeln, dass man nur drei Stücke pro Spielzeit spielt.
Schneider: Ich habe gerade total Lust zu arbeiten und will gar nicht reduzieren.
Hänsel: Die Modelle sind so verschieden wie die Leute, die sie betreffen, und dadurch kaum vergleichbar. Ich habe auch gute Erfahrungen damit gemacht, direkt mit der Regie zu sprechen. Ich bin immer auf Verständnis gestoßen, wenn ich nicht jeden Abend proben konnte.
Schneider: Irgendwie stimmt aber auch der Satz: „Bei der Anfängergage am Theater kann man sich ein Kind gar nicht leisten.“
Und wie war es am Hans Otto Theater?
Schneider: Vor dem Verkünden meiner Schwangerschaft hatte ich große Angst, ich saß weinend im Büro der Intendantin. Aber ich wurde von allen total aufgefangen. Es gab nicht einen dummen Kommentar von irgendjemandem. Das fand ich hier schon sehr angenehm.
Hänsel: Sie haben sich alle gefreut. Womit ich nicht gerechnet hatte, ist, dass man so schnell raus ist aus dem Betrieb. Der Arbeitsschutz ist streng. Man darf ab der Bekanntgabe der Schwangerschaft nicht mehr proben. Man macht ja auf der Bühne lauter verrücktes Zeug. Nur ein paar Vorstellungen durfte ich noch spielen – und das ist schade. Mich hat es genervt, dass ich schon ein halbes Jahr vor der Geburt „ausgesondert“ wurde.
Das Kind ist krank und ihr müsst die Probe absagen. Ist das schlimm?
Hänsel: Eine Probe abzusagen ist nicht so schlimm, da ist ja alles noch im Fluss. Aber ich habe schon einen Horror davor, einmal eine Vorstellung abzusagen. Auch wenn wir Kinderkrankheitstage haben wie alle Angestellten. Trotzdem hat man ein schlechtes Gewissen.
Ihr lebt beide nicht das klassische Familienmodell. Mascha, du bist alleinerziehend, und deine Mutter hilft dir bei der Betreuung deiner Tochter. Laura, eure Familienwohnung ist in Cottbus, wo dein Lebensgefährte arbeitet, du lebst aber während der Probenzeiten hauptsächlich mit eurer Tochter in Potsdam. Das erfordert von euch beiden ein ganz schönes Organisationstalent …
Hänsel: Mascha, du bist sehr gut organisiert. Du fehlst nie und kannst alles möglich machen.
Schneider: Ja, man schafft es immer irgendwie, selbst wenn man denkt, es ist unlösbar.
Hänsel: Die Abenddienste sind das Problem – nicht die Vormittage. Von der Stadt Potsdam gibt es dafür leider kein einziges Angebot, anders als beispielsweise in Berlin. Wir sind ja nicht die einzigen Leute, die abends arbeiten: Krankenschwestern und Pfleger, Taxifahrer*innen, Leute im Einzelhandel usw. bräuchten so ein Betreuungsangebot doch auch. Außerdem gibt es keine finanzielle Unterstützung. Eine Kollegin hat mir erzählt, dass sie einmal 700 Euro im Monat für Babysitter ausgegeben hat. Das ist doch irre. Wir gehen ja arbeiten und nicht in die Disko.
Was müsste sich am Theater ändern, damit es leichter für Familien wird?
Schneider: Die finanzielle Lage der Eltern muss sich ändern, vor allem, wenn die Lebenskonzepte individuell sind.
Hänsel: Mir helfen lange Proben von 10 bis 16 Uhr. Meine Tochter stresst es, wenn ich sie von der Kita abhole und dann abends nochmal losmuss. Und auch für mich persönlich ist das angenehmer. Ich hatte Phasen, da kam ich abends gar nicht mehr runter.
Schneider: Ich mag Abendproben. Sie haben eine eigene Dynamik. Der Vorteil unseres Berufs ist ja, dass wir manchmal Freiphasen haben und nur Vorstellungen spielen. Dann hat man viel Zeit für sein Kind.
Hänsel: Stimmt – und die Nachmittagsstunden hätte man ja auch nicht in einem anderen Job.
Interview: Elena Iris Fichtner