Frohnatur mit Tiefgang
Seit zehn Jahren gehört René Schwittay zu den prägenden Schauspielern des Potsdamer Ensembles. In "Nationalstraße" von Jaroslav Rudiš spielt er Vandam, einen Schläger, der im heutigen Prag um seine Würde kämpft.
René Schwittay ist ein starker Typ. Er kann martialisch-gefährlich wirken – in einem ARD-„Tatort“ spielte er mal einen knallharten Rocker. Zugleich vermag er auf eine bübisch-schelmische Weise zu grinsen, dass einem das Herz aufgeht. Schwittay interessiert sich für die Widersprüche des Lebens. Aufgewachsen ist er im Rheinland, nahe Leverkusen. Theater war kein großes Thema in seiner Familie. Allerdings: Bei Betriebsfesten hat seine Mutter moderiert und in Sketchen mitgespielt. „Ein verkapptes Showtalent“, meint der Sohn heute.
Der Weg zur Bühne führte über die Schultheatergruppe. Seine erste Rolle war eine Biene. 1999 wurde er an der Filmuniversität Babelsberg angenommen. Am 11.11. rannte er über das Gelände der Uni und rief lauthals „Kölle Alaaf!“. „Die Leute haben mich angeguckt, als sei ich geisteskrank. Aber ich dachte, ich müsse etwas aus meiner Heimat quasi herüberretten und alle mit guter Laune infizieren“, erinnert er sich. Ein Stück rheinische Frohnatur steckt nach wie vor in ihm. Inzwischen fühlt er sich auch in Brandenburg heimisch und mag die leicht ruppige, ehrliche Art der Leute hier. In seiner Freizeit liest er gern, sozialphilosophische Texte oder Romane von Thomas Glavinic. Darin geht es zum Beispiel um einen Mann, der auf den Mount Everest klettern will, obwohl er eigentlich kein Bergsteiger ist. Da kann Schwittay andocken.
Die Lust am Ausprobieren, am Wagnis, am möglichen Scheitern – das ist es, was für ihn Theater ausmacht. Denkverbote und abgesicherte Wege findet er uninteressant. Auf der Bühne zeigt er stets vollen Einsatz, sucht er nach dem Moment von Freiheit, in dem es möglich wird, Konventionen zu sprengen. Doch wird man durch Theaterspielen ein besserer Mensch? „Man denkt, man lernt sich durch die vielen Rollen immer besser kennen. Aber eigentlich ist es wie bei der Zwiebel von Peer Gynt: Man löst eine Schicht nach der anderen. Und am Ende bleibt nichts übrig. Da könnte man verzweifeln“, sagt René Schwittay – und lacht. Komik und Verzweiflung gehören für ihn zusammen.
Widersprüche, die aufeinanderprallen – das passt auch zu Vandam, dem Protagonisten aus dem Roman „Nationalstraße“, den er gemeinsam mit drei Kolleg*innen aus dem Ensemble spielt. Schwittay mag diese Figur, diesen Überlebens-Fighter, diese irritierende Mischung aus Kneipenschläger, Kämpfer für Gerechtigkeit, Untergrundphilosoph und Wendeverlierer mit rechtsradikalen Tendenzen. „Das ist eine gestrandete Existenz, die ganz verloren vor einem tiefen Abgrund steht und um ihre Würde kämpft. Vandam gibt sich nach außen unglaublich hart, in seinem Innern ist er aber ganz verletzlich. Er hat das Gefühl, sein Leben zerbröselt und wird von allen Seiten bedroht. Dagegen will er sich zur Wehr setzen und das bisschen Identität, das ihm geblieben ist, mit einem Panzer aus Muskeln und Gewalt verteidigen.“ Mit vollem Einsatz will sich René Schwittay der Begegnung mit dieser krassen Figur aussetzen.
Christopher Hanf
Der Weg zur Bühne führte über die Schultheatergruppe. Seine erste Rolle war eine Biene. 1999 wurde er an der Filmuniversität Babelsberg angenommen. Am 11.11. rannte er über das Gelände der Uni und rief lauthals „Kölle Alaaf!“. „Die Leute haben mich angeguckt, als sei ich geisteskrank. Aber ich dachte, ich müsse etwas aus meiner Heimat quasi herüberretten und alle mit guter Laune infizieren“, erinnert er sich. Ein Stück rheinische Frohnatur steckt nach wie vor in ihm. Inzwischen fühlt er sich auch in Brandenburg heimisch und mag die leicht ruppige, ehrliche Art der Leute hier. In seiner Freizeit liest er gern, sozialphilosophische Texte oder Romane von Thomas Glavinic. Darin geht es zum Beispiel um einen Mann, der auf den Mount Everest klettern will, obwohl er eigentlich kein Bergsteiger ist. Da kann Schwittay andocken.
Die Lust am Ausprobieren, am Wagnis, am möglichen Scheitern – das ist es, was für ihn Theater ausmacht. Denkverbote und abgesicherte Wege findet er uninteressant. Auf der Bühne zeigt er stets vollen Einsatz, sucht er nach dem Moment von Freiheit, in dem es möglich wird, Konventionen zu sprengen. Doch wird man durch Theaterspielen ein besserer Mensch? „Man denkt, man lernt sich durch die vielen Rollen immer besser kennen. Aber eigentlich ist es wie bei der Zwiebel von Peer Gynt: Man löst eine Schicht nach der anderen. Und am Ende bleibt nichts übrig. Da könnte man verzweifeln“, sagt René Schwittay – und lacht. Komik und Verzweiflung gehören für ihn zusammen.
Widersprüche, die aufeinanderprallen – das passt auch zu Vandam, dem Protagonisten aus dem Roman „Nationalstraße“, den er gemeinsam mit drei Kolleg*innen aus dem Ensemble spielt. Schwittay mag diese Figur, diesen Überlebens-Fighter, diese irritierende Mischung aus Kneipenschläger, Kämpfer für Gerechtigkeit, Untergrundphilosoph und Wendeverlierer mit rechtsradikalen Tendenzen. „Das ist eine gestrandete Existenz, die ganz verloren vor einem tiefen Abgrund steht und um ihre Würde kämpft. Vandam gibt sich nach außen unglaublich hart, in seinem Innern ist er aber ganz verletzlich. Er hat das Gefühl, sein Leben zerbröselt und wird von allen Seiten bedroht. Dagegen will er sich zur Wehr setzen und das bisschen Identität, das ihm geblieben ist, mit einem Panzer aus Muskeln und Gewalt verteidigen.“ Mit vollem Einsatz will sich René Schwittay der Begegnung mit dieser krassen Figur aussetzen.
Christopher Hanf
veröffentlicht in ZUGABE MAGAZIN 03-2019