Die Schatteninterpretin
Gudrun Hillert ist Dolmetscherin für Gebärdensprache. Auf der Bühne übersetzt sie in Echtzeit das Spiel der Figuren für Menschen, die nicht hören können.
Wenn am Ende einer Aufführung nicht nur geklatscht wird, sondern auch Arme in die Luft schnellen und Hände lautlos ihrer Begeisterung Ausdruck verleihen, dann waren Gudrun Hillert und ihr Kollege Christian Pflugfelder wieder einmal Teil des Bühnengeschehens. Seit 1996 übersetzen die beiden am Hans Otto Theater bis zu sechs Vorstellungen pro Spielzeit simultan in Gebärdensprache. Damit ermöglichen sie ein inklusives Theatererlebnis jenseits des Hörvermögens der Zuschauer*innen. Das sogenannte „Sign-Spot-Programm“ ist durch diese Kontinuität und den Einsatz von „shadow interpreting“ deutschlandweit einzigartig. Das „Beschatten von Schauspieler*innen“ ist mehr als eine Übersetzung – es ist eine „eigene Kunstform“, wie die Jury des BKM-Preises Kulturelle Bildung schon 2012 feststellte.
Wer Gudrun Hillert auf der Bühne beobachtet, spürt ihre Leidenschaft für die Sache. Obwohl sie kein Schauspielstudium absolviert hat, fühlt sie sich hier sichtlich zu Hause. Jede Gebärde führt sie mit unglaublicher Präzision und Präsenz aus, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Klug und feinsinnig erfasst sie die Figuren und ihre Motive, die sie dolmetscht. Aber auch Bühnengeräusche und sogar Musik werden von ihr mühelos übertragen. Dabei reicht ihr Repertoire von Shakespeare bis zur Postdramatik.
Schon als 13-Jährige erlernte Gudrun Hillert autodidaktisch die Gebärdensprache. Damals war eine Familie mit einem tauben Mädchen in ihr Dorf gezogen und sie erlebte die permanente Ausgrenzung hautnah mit. „Dieses unermessliche Drama können sich hörende Menschen gar nicht vorstellen: Du bleibst dauernd außen vor, bist von sämtlichen Alltagsinformationen abgeschnitten, erlebst Radio, Fernsehen, Kino und Theater immer ohne Ton! Sogar an der Sonderschule wird dir die Bildung verwehrt, weil die Lehrer*innen die Gebärdensprache nicht können.“
Diese Erfahrung war prägend für ihre berufliche Karriere. Sie wurde Dolmetscherin für Gebärdensprache, übersetzte an der Fachhochschule Potsdam für taube Studierende, bildete an der Berliner Humboldt-Universität Hochschüler*innen im Beruf aus. Heute arbeitet sie als selbstständige Dolmetscherin und vermittelt die Kommunikation zwischen Hörenden und Nicht-Hörenden unter anderem am Theater.
Das Prinzip ist immer das gleiche: Es geht darum, über Sprachgrenzen hinweg die Tore zu einer anderen Welt zu öffnen: den Hörenden eine Ahnung von einer tonlosen Welt zu verschaffen und den Tauben den Zugang zur geräuschvollen Welt zu ermöglichen.
Die Kunst besteht darin, für jede Produktion eine adäquate Übertragung zu finden, die nicht als Störung, sondern als Bereicherung wahrgenommen wird. Manchmal entstehen dabei magische Momente. So rief etwa Katharina Thalbach in der Rolle des Theaterdirektors Striese im „Raub der Sabinerinnen“ den Dolmetscher*innen spontan zu: „Sie sind engagiert!“ Augenblicklich war eine weitere Spielebene zum Vergnügen aller entstanden.
Was wir machen, ist keine Hexerei“, sagt Gudrun Hillert mit einem fröhlichen Lachen, „aber wenn das Publikum verzaubert ist, freut uns das sehr.“
Manuela Gerlach
Wer Gudrun Hillert auf der Bühne beobachtet, spürt ihre Leidenschaft für die Sache. Obwohl sie kein Schauspielstudium absolviert hat, fühlt sie sich hier sichtlich zu Hause. Jede Gebärde führt sie mit unglaublicher Präzision und Präsenz aus, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Klug und feinsinnig erfasst sie die Figuren und ihre Motive, die sie dolmetscht. Aber auch Bühnengeräusche und sogar Musik werden von ihr mühelos übertragen. Dabei reicht ihr Repertoire von Shakespeare bis zur Postdramatik.
Schon als 13-Jährige erlernte Gudrun Hillert autodidaktisch die Gebärdensprache. Damals war eine Familie mit einem tauben Mädchen in ihr Dorf gezogen und sie erlebte die permanente Ausgrenzung hautnah mit. „Dieses unermessliche Drama können sich hörende Menschen gar nicht vorstellen: Du bleibst dauernd außen vor, bist von sämtlichen Alltagsinformationen abgeschnitten, erlebst Radio, Fernsehen, Kino und Theater immer ohne Ton! Sogar an der Sonderschule wird dir die Bildung verwehrt, weil die Lehrer*innen die Gebärdensprache nicht können.“
Diese Erfahrung war prägend für ihre berufliche Karriere. Sie wurde Dolmetscherin für Gebärdensprache, übersetzte an der Fachhochschule Potsdam für taube Studierende, bildete an der Berliner Humboldt-Universität Hochschüler*innen im Beruf aus. Heute arbeitet sie als selbstständige Dolmetscherin und vermittelt die Kommunikation zwischen Hörenden und Nicht-Hörenden unter anderem am Theater.
Das Prinzip ist immer das gleiche: Es geht darum, über Sprachgrenzen hinweg die Tore zu einer anderen Welt zu öffnen: den Hörenden eine Ahnung von einer tonlosen Welt zu verschaffen und den Tauben den Zugang zur geräuschvollen Welt zu ermöglichen.
Die Kunst besteht darin, für jede Produktion eine adäquate Übertragung zu finden, die nicht als Störung, sondern als Bereicherung wahrgenommen wird. Manchmal entstehen dabei magische Momente. So rief etwa Katharina Thalbach in der Rolle des Theaterdirektors Striese im „Raub der Sabinerinnen“ den Dolmetscher*innen spontan zu: „Sie sind engagiert!“ Augenblicklich war eine weitere Spielebene zum Vergnügen aller entstanden.
Was wir machen, ist keine Hexerei“, sagt Gudrun Hillert mit einem fröhlichen Lachen, „aber wenn das Publikum verzaubert ist, freut uns das sehr.“
Manuela Gerlach
Veröffentlicht in ZUGABE MAGAZIN 02-2018