Alina Wolff als Ismene in "Ismene, Schwester von". Foto: Thomas M. Jauk

„Alles ist ein einziger Lieblingsmoment!“

Alina Wolff über ihre Rückkehr auf die Bühne und Lot Vekemans Monolog "Ismene, Schwester von"
Wegen einer Knieverletzung konntest du längere Zeit nicht auf der Bühne stehen. Wie sehr freust du dich, wieder zurück zu sein?
Ich freue mich wie irre wieder voll und ganz einzusteigen! Der Unfall hat mich komplett rausgehauen und es war ein sehr langwieriger Heilungsprozess. Aber jetzt kann ich hoffentlich wieder mit ganzem Einsatz dabei sein und freue mich auf einfach Alles. Ich habe das Theater und alle Kolleginnen und Kollegen sehr vermisst.

Ab 29. September stehst du wieder in Lot Vekemans „Ismene, Schwester von“ auf der Bühne – ein Monolgstück ohne Kolleg*innen.
Das stimmt. (lacht) Aber die Kolleginnen und Kollegen werde ich in den Proben zu anderen Stücken, wie zum Beispiel „Lazarus“ wiedersehen. Und an Ismene musste ich während meiner Krankschreibung wirklich sehr oft denken, weil dieser Abend sehr, sehr wertvoll und besonders für mich ist. Die Entwicklung war unglaublich intensiv und ich bin mit dieser Figur einfach sehr verbunden. Es freut mich sehr, dass der Abend wieder aufgenommen wird!

Die meisten Zuschauer*innen kennen die Figur Ismene wahrscheinlich aus „Antigone“, ein Stück, in dem du sie in der letzten Spielzeit auch verkörpert hast…
Der Ursprung der Figur liegt in „Antigone“, die Probenarbeit lag direkt vor der Entwicklung des Monologs, doch Ismene ist wahrscheinlich über 3000 Jahre älter und, nun ja, leicht anders geworden. Kleine Zitate an die Antigone-Inszenierung wie etwa ihr Kleid erkennen die Zuschauer eventuell wieder. Aber das Stück steht natürlich für sich und ist einfach so gut geschrieben. Einerseits so detailliert recherchiert, dass alle Fakten den Mythos betreffend stimmen. Andererseits gibt Lot Vekemans Ismene eine neue psychologische Tiefe, erfindet Intimitäten der Familie dazu und geht insgesamt sehr liebevoll humorvoll mit der Figur um, was mir wiederum neue Möglichkeiten eröffnet.

Ismene steht mythologisch betrachtet im Schatten ihrer Schwester Antigone. Wer ist sie für dich?
Für mich ist sie eine unglaublich starke junge Frau, die ihre ganze Familie überlebt hat und trotz ihrer tragischen Familiengeschichte weiterleben möchte. Sie kämpft gegen das Dahinsiechen und versucht das Leben in all seinen Facetten auszukosten! Das Stück gibt ihr eine neue Tiefe und auch eine Klarheit, die ich sehr bewundere. Sie weiß ganz genau wer sie ist und wo sie steht. Nicht jeder Mensch ist dafür gemacht heroische Taten zu begehen. Es muss auch die geben, die vorsichtig sind und überleben, ja einfach leben wollen.

In Lot Vekemans Stück befindet sie sich in einem mysteriösen Zwischenraum jenseits von Zeit und Ort und hat lange nicht gesprochen…
Das ist eine verrückte Parallele, die ich durch meine Knieverletzung gefühlt auch über so einen langen Zeitraum erlebt habe. Auch ich musste warten, um wieder vor Publikum spielen zu können. Wie Ismene, die so lange alleine in der Stille war und dann im Sprechen ihre Erlösung findet.

Ihr zieht mit dem Abend in dieser Spielzeit vom Theaterschiff auf die Unterbühne um. Der perfekte Ort für das Stück?
Absolut! Jetzt geht es so richtig in die Tiefe in einen geheimnisvollen und gleichzeitig einen sehr technischen Raum, was irgendwie abgefahren ist. Die Verbindung zu „Antigone“ wird auch wieder ein bisschen hergestellt, weil das auf der Großen Bühne darüber gespielt wurde. Ich freue mich total darauf, mir diesen Ort als Ismene zu erobern und glaube, dass das Stück dort sehr gut funktionieren wird. Hauptsache wir haben eine gewisse Dunkelheit im Raum, die ist sehr wichtig für die Atmosphäre.

Eine gute Stunde alleine die Bühne zu bestreiten ist bei aller Freude sicherlich auch ein Kraftakt. Was ist für dich die größte Herausforderung?
Am Anfang hatte ich tatsächlich Bedenken, ob ich die nötige Kondidion aufbringen kann, aber eigentlich ist die größte Herausforderung und gleichzeitig die größte Freude jeden Abend die Verbindung zu den Zuschauern aufzubauen, die meine Partner und Verbündeten sind und gleichzeitig Ismenes Richter. Jede Vorstellung ist anders, jeden Abend muss ich herausfinden, welche die geeignete Ansprache ist. Mal still mal laut… Alle im Raum inklusive mich selbst als Schauspielerin zu überraschen. Das ist total reizvoll.

Und gibt es jenseits davon einen konkreten Lieblingsmoment?
Ich mag den Schluss schon ziemlich gerne. Weil er so befreiend für Ismene ist und mich gleichzeitig ein bisschen traurig stimmt, weil das Stück dann vorbei ist. Oder die Stelle, an der Ismene über die Liebe zu ihrem Bruder Polyneikes spricht. Und auch die Jagd nach den Fliegen… Eigentlich ist alles ein einziger Lieblingsmoment! (lacht)
Interview: Sarah Kugler
erschienen im Theatermagazin ZUGABE September 2024