Hinter den Kulissen
INSPIZIENZ
Die heimliche Regisseurin
Chefinspizientin Heike Arlt hält im Hans Otto Theater während der Vorstellung alle Fäden in der Hand.
Heike Arlt bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Souverän steuert die Chefinspizientin des Hans Otto Theaters rund 250 Vorstellungen pro Spielzeit. Vor dem Publikum verborgen, sitzt sie direkt neben der Bühne am Inspizientenpult. Ausgestattet mit fast 100 Schaltern und Knöpfen, drei Monitoren, einer Uhr und einer Sprechanlage koordiniert sie von dort den Ablauf einer Vorstellung. Genauer gesagt synchronisiert sie Ton, Licht sowie Umbauten und gibt die Auftrittszeichen für die Schauspieler*innen. Die Koordination erfolgt dabei per Lichtzeichen, denn während einer Vorstellung herrscht natürlich absolute Ruhe. Auch wenn sie von ihrem Pult aus nicht die gesamte Bühne überblicken kann, mithilfe einer schwenkbaren Kamera hat sie alles im Auge.
Aufgewachsen ist die 61-jährige in Greifswald. Schon während der Schulzeit ging sie im Theater aus und ein – zunächst als Tänzerin im Extraballett. Die Liebe zum Theater entstand auch durch ihren Vater, der als Theaterfotograf arbeitete und sie ab und zu mitnahm. Irgendwann sagte sie sich: „So etwas Ähnliches werde ich auch mal tun.“ Nach einer Berufsausbildung in der Gastronomie führte sie ihr Weg ans Theater Anklam unter Frank Castorf, wo sie als Souffleuse und Regieassistentin arbeitete. Es folgte eine Anstellung als Inspizientin an der Kleinen Bühne „Das Ei“ des Berliner Friedrichstadtpalastes. Schnell wurde ihr klar: „So soll es weitergehen!“ Nach Stationen in Schwedt, Dresden und Magdeburg folgte Heike Arlt schließlich 2009 Tobias Wellemeyer nach Potsdam. Theater bedeutet für Arlt Spiel und Abenteuer sowie die Infragestellung von Bekanntem. „Das war vor 40 Jahren schon so und hat sich nicht geändert“, beteuert sie.
Mit dem Probenbeginn, der sogenannten Konzeptionsprobe, beginnt auch Arlts Arbeit an der jeweiligen Theaterproduktion. Schon während der Probenzeit notiert sich die Inspizientin, wer wann auftritt. Die wichtigste Probe für sie ist jedoch die Beleuchtungsprobe, denn dort wird alles Technische besprochen – auch die Umbauten. Damit sie später die Vorstellung optimal „fahren“ kann, trägt sie alle Zeichen in Signalfarben in ihr Textbuch ein. Das sieht dann „nach 53 Vorstellungen wie beim Weihnachtsmärchen auch mal abenteuerlich aus“, verrät Heike Arlt.
Auf die Frage nach der größten Herausforderung schweigt die Greifswalderin lange. „Ich bin nicht so cool, wie ich tue, aber nach 40 Jahren weiß man, wie es geht“, erwidert sie. Vor den Vorstellungen sei sie immer noch aufgeregt, vor allem bei Premieren. Doch wenn das Stück erst einmal laufe, spiele alles andere keine Rolle mehr. Dann fällt ihr doch noch etwas ein: „Herausfordernd ist es, wenn auf der Bühne mal was passiert. Zum Beispiel eine Störung am Maschinenpult, die Bühne dreht sich nicht. Dann muss man notfalls auch die Vorstellung unterbrechen und eine Ansage machen.“
Auf ihre nächste Produktion freut sich die Chefinspizientin schon besonders: Molières „Der Menschenfeind“ im Schlosstheater des Neuen Palais. „Wenn man in das barocke Ambiente eintritt, ist man wirklich in einer anderen Welt“, schwärmt Arlt. „Dort kann man alle anderen Probleme draußen lassen.“ Mit kurzer Hose und Turnschuhen würde Heike Arlt übrigens nie zu einer Abendvorstellung gehen. Die Inspizientin ist bekannt für ihre sorgfältig ausgewählten Outfits. Dies hat ihr zufolge auch mit einer Achtung vor der Institution Theater zu tun. Die Schauspieler*innen seien vor der Vorstellung in der Maske, und auch das Publikum putzt sich heraus. „Und das mache ich auch, und es macht mir große Freude.“
Leni Roller
[erschienen in ZUGABE-MAGAZIN 1-2024]
Aufgewachsen ist die 61-jährige in Greifswald. Schon während der Schulzeit ging sie im Theater aus und ein – zunächst als Tänzerin im Extraballett. Die Liebe zum Theater entstand auch durch ihren Vater, der als Theaterfotograf arbeitete und sie ab und zu mitnahm. Irgendwann sagte sie sich: „So etwas Ähnliches werde ich auch mal tun.“ Nach einer Berufsausbildung in der Gastronomie führte sie ihr Weg ans Theater Anklam unter Frank Castorf, wo sie als Souffleuse und Regieassistentin arbeitete. Es folgte eine Anstellung als Inspizientin an der Kleinen Bühne „Das Ei“ des Berliner Friedrichstadtpalastes. Schnell wurde ihr klar: „So soll es weitergehen!“ Nach Stationen in Schwedt, Dresden und Magdeburg folgte Heike Arlt schließlich 2009 Tobias Wellemeyer nach Potsdam. Theater bedeutet für Arlt Spiel und Abenteuer sowie die Infragestellung von Bekanntem. „Das war vor 40 Jahren schon so und hat sich nicht geändert“, beteuert sie.
Mit dem Probenbeginn, der sogenannten Konzeptionsprobe, beginnt auch Arlts Arbeit an der jeweiligen Theaterproduktion. Schon während der Probenzeit notiert sich die Inspizientin, wer wann auftritt. Die wichtigste Probe für sie ist jedoch die Beleuchtungsprobe, denn dort wird alles Technische besprochen – auch die Umbauten. Damit sie später die Vorstellung optimal „fahren“ kann, trägt sie alle Zeichen in Signalfarben in ihr Textbuch ein. Das sieht dann „nach 53 Vorstellungen wie beim Weihnachtsmärchen auch mal abenteuerlich aus“, verrät Heike Arlt.
Auf die Frage nach der größten Herausforderung schweigt die Greifswalderin lange. „Ich bin nicht so cool, wie ich tue, aber nach 40 Jahren weiß man, wie es geht“, erwidert sie. Vor den Vorstellungen sei sie immer noch aufgeregt, vor allem bei Premieren. Doch wenn das Stück erst einmal laufe, spiele alles andere keine Rolle mehr. Dann fällt ihr doch noch etwas ein: „Herausfordernd ist es, wenn auf der Bühne mal was passiert. Zum Beispiel eine Störung am Maschinenpult, die Bühne dreht sich nicht. Dann muss man notfalls auch die Vorstellung unterbrechen und eine Ansage machen.“
Auf ihre nächste Produktion freut sich die Chefinspizientin schon besonders: Molières „Der Menschenfeind“ im Schlosstheater des Neuen Palais. „Wenn man in das barocke Ambiente eintritt, ist man wirklich in einer anderen Welt“, schwärmt Arlt. „Dort kann man alle anderen Probleme draußen lassen.“ Mit kurzer Hose und Turnschuhen würde Heike Arlt übrigens nie zu einer Abendvorstellung gehen. Die Inspizientin ist bekannt für ihre sorgfältig ausgewählten Outfits. Dies hat ihr zufolge auch mit einer Achtung vor der Institution Theater zu tun. Die Schauspieler*innen seien vor der Vorstellung in der Maske, und auch das Publikum putzt sich heraus. „Und das mache ich auch, und es macht mir große Freude.“
Leni Roller
[erschienen in ZUGABE-MAGAZIN 1-2024]
KORREPETITION
Die Unverzichtbare
Seit fast 35 Jahren gibt Rita Herzog am Hans Otto Theater den Ton an. Wenn Musik im Spiel ist, wird sie gebraucht – im Hintergrund oder auf der Bühne.
Die Hände fliegen durch die Luft. Es ist, als bespielte Rita Herzog ein unsichtbares Klavier, während sie voller Leidenschaft von ihrem Beruf der Korrepetitorin erzählt. Schon seit 1988 begleitet sie das Hans Otto Theater musikalisch. Bereits in der Musikschule liebte sie es, andere Kinder auf dem Klavier zu begleiten. Gemeinsam etwas zu erschaffen, bildet auch heute noch das Zentrum ihrer Arbeit – sei es am Hammerklavier in den Vorstellungen der Potsdamer Winteroper, in der Matinee-Reihe „Märkische Leselust“ oder bei musikalischen Abenden wie „Cabaret“ im Großen Haus.
Noch während ihrer Schulzeit zog die Familie von Köthen nach Berlin- Marzahn. Eine Zäsur in Herzogs Leben. Auf dem Musikgymnasium hatte sie zunächst mit den frechen Berliner Kindern zu kämpfen, die sie wegen ihres Dialekts aufzogen. Zu elitär sei die Schule gewesen. Wer Rita Herzog heute trifft, erlebt eine bodenständige, fröhliche Person. Von Elitedenken ist nichts zu spüren, obwohl ihr Lebenslauf manche herausragende Stationen aufweist. Sie studierte Korrepetition an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. Bereits vor dem Ende ihres Studiums spielte sie in Potsdam vor und wurde engagiert. Heute gilt Rita Herzog als Spezialistin für die Interpretation und Aufführungspraxis von Werken des Barock und der Frühklassik. Ihr besonderes Interesse gilt der Bühnenmusik des 17. und 18. Jahrhunderts.
Selbst gestalten zu können, ist ihr in ihrer Arbeit wichtig. Geprägt hat sie vor allem der Fagottist Sergio Azzolini, der bis 2007 die Potsdamer Kammerakademie leitete. Ihre blauen Augen fangen an zu strahlen, wenn sie von ihm erzählt. Die Hände bespielen die Luft gleich noch etwas schneller. „Ein genialer Typ. Er beherrscht sein Instrument nahezu perfekt. Und er kannte keine Grenzen. Die Proben und Konzerte mit ihm waren für mich immer inspirierend.“ Sie sucht nach Worten, so sehr bewegt es sie noch heute. „Es war eine Zeit, von der du weißt, dass du sie nur einmal erlebst.“
Rita Herzog musiziert drei bis vier Stunden täglich, vor einer Probe spielt sie sich mindestens 45 Minuten ein. Bevorzugt zu Hause, denn sie will nicht das ganze Theater beschallen. Bei der Winteroper kann sie nicht nur alle Stücke vorab – sie muss auch die Partien der Sänger*innen draufhaben. „Wenn jemand indisponiert ist, kann die Probe nicht einfach ausfallen. Dann muss ich singen. Ich hatte im Studium zwar Stimmbildung, aber nie Gesangsunterricht“, lacht Herzog. Ihre Proben mit dem Schauspielensemble unterscheiden sich von der Arbeit mit Sänger*innen. Letztere achteten sehr auf den Sitz der Stimme und darauf, wie man den Wohlklang formt. Erst danach komme die Arbeit mit dem Text. „Das ist bei Schauspieler*innen umgekehrt. Sie gehen eher inhaltlich heran und versuchen, dem eine Stimme zu geben.“ Sie schwärmt von den Augenblicken, wenn in der künstlerischen Arbeit magische Momente entstehen. Ihre Begeisterung ist so ansteckend, dass man nach dem Gespräch am liebsten sofort Klavier spielen lernen möchte.
Elena Iris Fichtner
[erschienen in ZUGABE-MAGAZIN 04-2022]
Noch während ihrer Schulzeit zog die Familie von Köthen nach Berlin- Marzahn. Eine Zäsur in Herzogs Leben. Auf dem Musikgymnasium hatte sie zunächst mit den frechen Berliner Kindern zu kämpfen, die sie wegen ihres Dialekts aufzogen. Zu elitär sei die Schule gewesen. Wer Rita Herzog heute trifft, erlebt eine bodenständige, fröhliche Person. Von Elitedenken ist nichts zu spüren, obwohl ihr Lebenslauf manche herausragende Stationen aufweist. Sie studierte Korrepetition an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. Bereits vor dem Ende ihres Studiums spielte sie in Potsdam vor und wurde engagiert. Heute gilt Rita Herzog als Spezialistin für die Interpretation und Aufführungspraxis von Werken des Barock und der Frühklassik. Ihr besonderes Interesse gilt der Bühnenmusik des 17. und 18. Jahrhunderts.
Selbst gestalten zu können, ist ihr in ihrer Arbeit wichtig. Geprägt hat sie vor allem der Fagottist Sergio Azzolini, der bis 2007 die Potsdamer Kammerakademie leitete. Ihre blauen Augen fangen an zu strahlen, wenn sie von ihm erzählt. Die Hände bespielen die Luft gleich noch etwas schneller. „Ein genialer Typ. Er beherrscht sein Instrument nahezu perfekt. Und er kannte keine Grenzen. Die Proben und Konzerte mit ihm waren für mich immer inspirierend.“ Sie sucht nach Worten, so sehr bewegt es sie noch heute. „Es war eine Zeit, von der du weißt, dass du sie nur einmal erlebst.“
Rita Herzog musiziert drei bis vier Stunden täglich, vor einer Probe spielt sie sich mindestens 45 Minuten ein. Bevorzugt zu Hause, denn sie will nicht das ganze Theater beschallen. Bei der Winteroper kann sie nicht nur alle Stücke vorab – sie muss auch die Partien der Sänger*innen draufhaben. „Wenn jemand indisponiert ist, kann die Probe nicht einfach ausfallen. Dann muss ich singen. Ich hatte im Studium zwar Stimmbildung, aber nie Gesangsunterricht“, lacht Herzog. Ihre Proben mit dem Schauspielensemble unterscheiden sich von der Arbeit mit Sänger*innen. Letztere achteten sehr auf den Sitz der Stimme und darauf, wie man den Wohlklang formt. Erst danach komme die Arbeit mit dem Text. „Das ist bei Schauspieler*innen umgekehrt. Sie gehen eher inhaltlich heran und versuchen, dem eine Stimme zu geben.“ Sie schwärmt von den Augenblicken, wenn in der künstlerischen Arbeit magische Momente entstehen. Ihre Begeisterung ist so ansteckend, dass man nach dem Gespräch am liebsten sofort Klavier spielen lernen möchte.
Elena Iris Fichtner
[erschienen in ZUGABE-MAGAZIN 04-2022]
SCHLOSSEREI
Birken aus Stahl
In der Schlosserei des Hans Otto Theaters entstehen stabile Unterbauten für die Bühnenbilder. Jede Arbeit ist anders. Gut so, findet Manuel Mestemacher.
Funken fliegen durch den meterhohen Raum aus Beton. Es wird gesägt, gebohrt und geschweißt. Kalter Zigarettenrauch liegt in der Luft. Die Schlosserei des Hans Otto Theaters ist der einzige Ort im Haus, wo noch geraucht werden darf. Seit gut einem Jahr liegt die Leitung der Werkstatt in den Händen von Schlossermeister Manuel Mestemacher. 1984 in Melle, Landkreis Osnabrück, geboren, absolvierte er nach seinem Schulabschluss eine Ausbildung zum Metallbauer. Nach mehrjähriger Arbeit in der Serienproduktion von Kühlraumtüren wurde der Wunsch nach mehr Kreativität im Berufsleben immer stärker. Und so führte ihn sein Weg im April 2021 nach Potsdam, ans Hans Otto Theater. „Ich hab schon viele blöde Entscheidungen getroffen. Das war mal ne gute. Das hat sich von Anfang an gut angefühlt“, meint Mestemacher.
Hier findet der 38-Jährige genau das, was er suchte. Jede Produktion fordert seinen Erfindungsreichtum heraus. Am Theater wird nicht in Serie nach einem bestimmten Schema gebaut, sondern „immer etwas Neues“. Auch wenn der Großteil seiner Arbeit später auf der Bühne zumeist versteckt ist – stolz ist er trotzdem. In Bettina Jahnkes Inszenierung von Gorkis „Kinder der Sonne“ ist seine Arbeit jedoch nicht zu übersehen: Ganze 900 Meter Stahl hat er mit seinem Kollegen Rainer Platzke zu einem Gerüst verarbeitet. Bei der mehrwöchigen Arbeit konnte Mestemacher von seiner Erfahrung in der Serienproduktion profitieren. Auch sein hoher Perfektionsanspruch rührt daher.
Je nach Umfang einer Inszenierung findet ungefähr drei bis vier Monate vor der Premiere die sogenannte Werkstattübergabe statt. Der oder die Bühnenbildner*in trifft sich mit den Meistern der Werkstätten und der Technik. Es wird besprochen, was beispielsweise aus Stahl oder aus Holz gebaut werden soll. Je nach Auslastung der einzelnen Gewerke wird über die Realisierbarkeit der Wünsche diskutiert. Manchmal müssen dabei auch Kompromisse eingegangen werden. Doch mit den Illusionskünstlerinnen in der Kaschierwerkstatt und im Malsaal ist so einiges möglich. Die täuschend echt anmutenden Birken in „Kinder der Sonne“ sind kaschierte Stahlstangen, und die Betontreppe in „Wutschweiger“ ist eine bemalte Holzverkleidung. Für das darunterliegende Alugerüst wurden Elemente aus alten Produktionen wiederverwendet. Eine äußerst zeitintensive Arbeit. Denn die alten Teile mussten zunächst auseinandergeschnitten und geschliffen werden. Damit sich seine Arbeit auch gelohnt hat, wünscht sich der Schlossermeister für die nächsten Wochen vor allem einen vollen Theatersaal.
Leni Roller
[erschienen in ZUGABE-MAGAZIN 03-2022]
Hier findet der 38-Jährige genau das, was er suchte. Jede Produktion fordert seinen Erfindungsreichtum heraus. Am Theater wird nicht in Serie nach einem bestimmten Schema gebaut, sondern „immer etwas Neues“. Auch wenn der Großteil seiner Arbeit später auf der Bühne zumeist versteckt ist – stolz ist er trotzdem. In Bettina Jahnkes Inszenierung von Gorkis „Kinder der Sonne“ ist seine Arbeit jedoch nicht zu übersehen: Ganze 900 Meter Stahl hat er mit seinem Kollegen Rainer Platzke zu einem Gerüst verarbeitet. Bei der mehrwöchigen Arbeit konnte Mestemacher von seiner Erfahrung in der Serienproduktion profitieren. Auch sein hoher Perfektionsanspruch rührt daher.
Je nach Umfang einer Inszenierung findet ungefähr drei bis vier Monate vor der Premiere die sogenannte Werkstattübergabe statt. Der oder die Bühnenbildner*in trifft sich mit den Meistern der Werkstätten und der Technik. Es wird besprochen, was beispielsweise aus Stahl oder aus Holz gebaut werden soll. Je nach Auslastung der einzelnen Gewerke wird über die Realisierbarkeit der Wünsche diskutiert. Manchmal müssen dabei auch Kompromisse eingegangen werden. Doch mit den Illusionskünstlerinnen in der Kaschierwerkstatt und im Malsaal ist so einiges möglich. Die täuschend echt anmutenden Birken in „Kinder der Sonne“ sind kaschierte Stahlstangen, und die Betontreppe in „Wutschweiger“ ist eine bemalte Holzverkleidung. Für das darunterliegende Alugerüst wurden Elemente aus alten Produktionen wiederverwendet. Eine äußerst zeitintensive Arbeit. Denn die alten Teile mussten zunächst auseinandergeschnitten und geschliffen werden. Damit sich seine Arbeit auch gelohnt hat, wünscht sich der Schlossermeister für die nächsten Wochen vor allem einen vollen Theatersaal.
Leni Roller
[erschienen in ZUGABE-MAGAZIN 03-2022]
TISCHLEREI
Von filigran bis robust
In der Tischlerei des Hans Otto Theaters nimmt jedes Bühnenbild seinen Anfang.
In der Tischlerei des Hans Otto Theaters sind die Spuren der täglichen Arbeit nicht zu übersehen: Am Boden liegen Holzspäne, und in dem 6,50 Meter hohen, lichtdurchfluteten Raum sind Konstruktionen kommender Produktionen aufgebaut. Während an einer Wand gut ausgestattete Werkbänke stehen, ist eine andere fast zur Gänze mit einem Gemälde bedeckt, das den Markusplatz in Venedig zeigt. Die Wanddekoration schmückte schon das Bühnenbild der 1980 aufgeführten Operette „Eine Nacht in Venedig“ von Johann Strauß.
Sebastian Gräf und Mathias Schmidt, zwei der insgesamt vier Tischler, stammen beide aus theaternahen Familien. Auch Schmidts Eltern haben am Hans Otto Theater gearbeitet, und obwohl er nie viel mit Theater am Hut hatte, führte ihn sein Weg 1995 doch hier ans Haus, „und das ist auch gut so“, wie er beteuert. Sebastian Gräf stammt aus
einer Restauratorenfamilie und hat, bevor er vor 35 Jahren ans Hans Otto Theater kam, am DDR-Prestigeprojekt – den Plattenbauten in Hellersdorf- Marzahn – mitgearbeitet.
Die Arbeit in der Tischlerei reicht von Bilderrahmen bis zum massiven Fachwerk. Wichtig dabei: „Es muss filigran sein und trotzdem Schläge abkönnen“, erklärt Gräf. Oft werde bei gekauften Möbeln vergessen, dass nicht alle bühnentauglich sind, ergänzt Schmidt. Denn Theaterelemente müssen durch den täglichen Auf- und Abbau sowie das Hin- und Hergeschiebe einiges aushalten. Basis für jedes Bühnenbild ist die sogenannte Theaterlatte (eine genormte Holzleiste). Das Zählen der verwendeten Latten haben die Tischler schnell wieder aufgegeben, denn jede Produktion benötigt im Schnitt ca. 150 Stück.
An ihrer Arbeit in der Tischlerei schätzen beide die Abwechslung. Die kreativen Freiräume haben Mathias Schmidt anfangs sehr beeindruckt. „So wird es nie langweilig“, betont er. Beide heben die Bedeutung eines guten Zusammenspiels zwischen den Gewerken hervor. Das eine oder andere Mal treten sie dabei auch mit eigenen Vorschlägen an die Bühnenbildner* innen heran. Auch nach den vielen Jahren am Haus ist der Bau von Imitationen für die beiden eine besonders spannende Herausforderung. Für „Amadeus“ beispielsweise wurde eine alte Cembalo- Nachbildung wieder ausgegraben, die schon vor über 20 Jahren auf der Bühne stand. Die Fake-Tastatur muss nun gegen ein bespielbares Keyboard ausgetauscht werden.
Auch über das Thema Nachhaltigkeit machen sich die Tischler Gedanken. Da sei noch viel Arbeit zu leisten, „vor allem Denkarbeit“, meint Gräf. So seien sie zwar bemüht, alte Sachen, die von der Technik aussortiert wurden, wiederzuverwenden, aber manchmal sei das einfach nicht möglich. Da geht der Appell der Tischler vor allem an die Bühnenbildner*innen, in dieser Hinsicht umzudenken.
Die aktuelle Pandemiesituation ist auch in der Tischlerei zu spüren. Infolge der Rohstoffknappheit haben sich die Holzpreise im Laufe des letzten Jahres fast verdoppelt. Mathias Schmidt wünscht sich, dass das Theater noch lange bestehen bleibt und das Publikum zurückkommt. „Wie werden die Stücke nach Corona aussehen? Da wird sich das Theater wahrscheinlich fast neu erfinden müssen“, fügt Sebastian Gräf hinzu. Ein Traum für ihn wäre die „Rocky Horror Show“ im Gasometer: „Eine ausgelassene Theaterparty, an der alle teilnehmen können – Schauspieler und Zuschauer. Ein Aufrütteln nach Corona.“
Leni Roller
[erschienen in ZUGABE-MAGAZIN 01-2022]
Sebastian Gräf und Mathias Schmidt, zwei der insgesamt vier Tischler, stammen beide aus theaternahen Familien. Auch Schmidts Eltern haben am Hans Otto Theater gearbeitet, und obwohl er nie viel mit Theater am Hut hatte, führte ihn sein Weg 1995 doch hier ans Haus, „und das ist auch gut so“, wie er beteuert. Sebastian Gräf stammt aus
einer Restauratorenfamilie und hat, bevor er vor 35 Jahren ans Hans Otto Theater kam, am DDR-Prestigeprojekt – den Plattenbauten in Hellersdorf- Marzahn – mitgearbeitet.
Die Arbeit in der Tischlerei reicht von Bilderrahmen bis zum massiven Fachwerk. Wichtig dabei: „Es muss filigran sein und trotzdem Schläge abkönnen“, erklärt Gräf. Oft werde bei gekauften Möbeln vergessen, dass nicht alle bühnentauglich sind, ergänzt Schmidt. Denn Theaterelemente müssen durch den täglichen Auf- und Abbau sowie das Hin- und Hergeschiebe einiges aushalten. Basis für jedes Bühnenbild ist die sogenannte Theaterlatte (eine genormte Holzleiste). Das Zählen der verwendeten Latten haben die Tischler schnell wieder aufgegeben, denn jede Produktion benötigt im Schnitt ca. 150 Stück.
An ihrer Arbeit in der Tischlerei schätzen beide die Abwechslung. Die kreativen Freiräume haben Mathias Schmidt anfangs sehr beeindruckt. „So wird es nie langweilig“, betont er. Beide heben die Bedeutung eines guten Zusammenspiels zwischen den Gewerken hervor. Das eine oder andere Mal treten sie dabei auch mit eigenen Vorschlägen an die Bühnenbildner* innen heran. Auch nach den vielen Jahren am Haus ist der Bau von Imitationen für die beiden eine besonders spannende Herausforderung. Für „Amadeus“ beispielsweise wurde eine alte Cembalo- Nachbildung wieder ausgegraben, die schon vor über 20 Jahren auf der Bühne stand. Die Fake-Tastatur muss nun gegen ein bespielbares Keyboard ausgetauscht werden.
Auch über das Thema Nachhaltigkeit machen sich die Tischler Gedanken. Da sei noch viel Arbeit zu leisten, „vor allem Denkarbeit“, meint Gräf. So seien sie zwar bemüht, alte Sachen, die von der Technik aussortiert wurden, wiederzuverwenden, aber manchmal sei das einfach nicht möglich. Da geht der Appell der Tischler vor allem an die Bühnenbildner*innen, in dieser Hinsicht umzudenken.
Die aktuelle Pandemiesituation ist auch in der Tischlerei zu spüren. Infolge der Rohstoffknappheit haben sich die Holzpreise im Laufe des letzten Jahres fast verdoppelt. Mathias Schmidt wünscht sich, dass das Theater noch lange bestehen bleibt und das Publikum zurückkommt. „Wie werden die Stücke nach Corona aussehen? Da wird sich das Theater wahrscheinlich fast neu erfinden müssen“, fügt Sebastian Gräf hinzu. Ein Traum für ihn wäre die „Rocky Horror Show“ im Gasometer: „Eine ausgelassene Theaterparty, an der alle teilnehmen können – Schauspieler und Zuschauer. Ein Aufrütteln nach Corona.“
Leni Roller
[erschienen in ZUGABE-MAGAZIN 01-2022]
Dekowerkstatt
KUNST TRIFFT HANDWERK
In der Dekorationsabteilung des Hans Otto Theaters nehmen Bühnenbilder stofflich Gestalt an – Spezialeffekte inklusive. Ein Besuch in der Werkstatt.
Meterhohe Stellwände, opulente Sessel und eine raumfüllende Arbeitsplatte – in der Dekorationsabteilung des Hans Otto Theaters sind die Spuren der handgefertigten Kulissen nicht zu übersehen. Fast zeitgleich haben die Raumausstatter Ingo Jesorka und Andreas Trüschel 1990 ihren Weg an das Theater gefunden. Seitdem nähen sie Vorhänge, beziehen Gestelle und verleihen Bühnenelementen Spezialeffekte, um nur ein paar ihrer Aufgaben zu nennen. Sie kommen aus Potsdam und Teltow; zuvor hatten sie bei einem privaten Polsterer gearbeitet. Doch nach 1989 wurde ihre Handwerksarbeit immer weniger gebraucht. „Nach der Wende sind die Leute in die Läden gegangen und haben günstig Möbel gekauft“, erzählt Ingo Jesorka. „Das konnte ein privater Polsterer, der das per Hand anfertigt, gar nicht bieten.“ Im kreativen Mikrokosmos des Theaters dagegen sind genau diese Fähigkeiten bis heute gefragt.
An seiner Arbeit in der Deko-Abteilung schätzt Jesorka besonders die kreative Freiheit zwischen Kunst und Handwerk. Denn nur selten machen die Bühnenbildner*innen exakte Vorgaben für die genaue Ausführung. Das eröffnet den beiden Raumausstattern einen schöpferischen Spielraum. Und ihre Tätigkeiten sind äußerst vielfältig: Sie fertigen Soffitten (Deckenkulissen) und Prospekte (Wandkulissen) an, verkleiden Stellwände, verspannen Folien und Effektgewebe und sind zur Stelle, wenn Möbel neu gepolstert werden müssen – egal, ob Königsstuhl oder altes Sofa. Manchmal fabrizieren sie auch Taschen für die Requisite oder Koffer mit Spezialeffekten. „Wir verarbeiten hier alles, was mit Stoff in Verbindung gebracht wird. Nur keine Kostüme“, erklärt Jesorka schmunzelnd. Manchmal sind es auch simple Tätigkeiten wie zum Beispiel beim Bühnenbild von „Vor Sonnenaufgang“: Das Herzstück des Bühnenbildes – ein mit Wasser gefülltes rundes Becken – haben sie mit Teichfolie ausgelegt. Für die Winteroper nähen Jesorka und Trüschel Deckenkulissen und Prospekte. Nachdem diese im Malsaal bemalt werden, kehren sie nochmal zurück in die Dekorationsabteilung und werden dort auf das richtige Maß konfektioniert. Viele Bühnenelemente wandern von Gewerk zu Gewerk und werden dort weiter bearbeitet. Ohne gutes Zeitmanagement kommt es dabei auch schnell mal zu Unstimmigkeiten.
Langweilig wird den beiden bei ihrer Arbeit selten, denn fast jedes Bühnenbild fordert ihren Erfindungsreichtum heraus. Auch Scheitern gehört immer wieder dazu, bis die perfekte Technik gefunden ist. „Oft muss man wieder von vorn beginnen“, meint Jesorka. Auch die Teamarbeit muss immer wieder neu austariert werden. Manchmal knirscht es dabei zwischen den beiden, doch in der Regel kommen sie gut miteinander klar. „Ich bin stolz darauf, dass das auch nach 30 Jahren immer noch klappt“, sagt Jesorka.
Heute werden Polsterer auch jenseits der Theaterwelt wieder mehr und mehr nachgefragt. „Jetzt haben die Leute wieder Geld und lassen auch alte Möbel aufpolstern. Und jetzt merkt man sowohl als Sattler wie auch als Raumausstatter: Wir haben wieder Arbeit“, ist Ingo Jesorka zuversichtlich. „Der Beruf wird nicht aussterben.“
Leni Roller
[erschienen in ZUGABE-MAGAZIN 04-2021]
An seiner Arbeit in der Deko-Abteilung schätzt Jesorka besonders die kreative Freiheit zwischen Kunst und Handwerk. Denn nur selten machen die Bühnenbildner*innen exakte Vorgaben für die genaue Ausführung. Das eröffnet den beiden Raumausstattern einen schöpferischen Spielraum. Und ihre Tätigkeiten sind äußerst vielfältig: Sie fertigen Soffitten (Deckenkulissen) und Prospekte (Wandkulissen) an, verkleiden Stellwände, verspannen Folien und Effektgewebe und sind zur Stelle, wenn Möbel neu gepolstert werden müssen – egal, ob Königsstuhl oder altes Sofa. Manchmal fabrizieren sie auch Taschen für die Requisite oder Koffer mit Spezialeffekten. „Wir verarbeiten hier alles, was mit Stoff in Verbindung gebracht wird. Nur keine Kostüme“, erklärt Jesorka schmunzelnd. Manchmal sind es auch simple Tätigkeiten wie zum Beispiel beim Bühnenbild von „Vor Sonnenaufgang“: Das Herzstück des Bühnenbildes – ein mit Wasser gefülltes rundes Becken – haben sie mit Teichfolie ausgelegt. Für die Winteroper nähen Jesorka und Trüschel Deckenkulissen und Prospekte. Nachdem diese im Malsaal bemalt werden, kehren sie nochmal zurück in die Dekorationsabteilung und werden dort auf das richtige Maß konfektioniert. Viele Bühnenelemente wandern von Gewerk zu Gewerk und werden dort weiter bearbeitet. Ohne gutes Zeitmanagement kommt es dabei auch schnell mal zu Unstimmigkeiten.
Langweilig wird den beiden bei ihrer Arbeit selten, denn fast jedes Bühnenbild fordert ihren Erfindungsreichtum heraus. Auch Scheitern gehört immer wieder dazu, bis die perfekte Technik gefunden ist. „Oft muss man wieder von vorn beginnen“, meint Jesorka. Auch die Teamarbeit muss immer wieder neu austariert werden. Manchmal knirscht es dabei zwischen den beiden, doch in der Regel kommen sie gut miteinander klar. „Ich bin stolz darauf, dass das auch nach 30 Jahren immer noch klappt“, sagt Jesorka.
Heute werden Polsterer auch jenseits der Theaterwelt wieder mehr und mehr nachgefragt. „Jetzt haben die Leute wieder Geld und lassen auch alte Möbel aufpolstern. Und jetzt merkt man sowohl als Sattler wie auch als Raumausstatter: Wir haben wieder Arbeit“, ist Ingo Jesorka zuversichtlich. „Der Beruf wird nicht aussterben.“
Leni Roller
[erschienen in ZUGABE-MAGAZIN 04-2021]
THEATERPLASTIK
Hans Ottos Hexenküche
Theaterplastikerin Sabine Dahme baut Wesen aus Kunststoff und mischt in ihrem Atelier geheimnisvolle Substanzen.
Eine festangestellte Theaterplastikerin gibt es längst nicht an jedem Stadttheater in Deutschland. In Potsdam arbeitet Sabine Dahme in einem großen, lichtdurchfluteten Atelier mit Seeblick. Die Wände sind mit Tierköpfen und Puppen behangen, in den Regalen lagern riesige Hände und Köpfe, aus denen man Augen und Zunge herausnehmen kann. In einer Ecke steht eine tischtennisplattengroße Säge.
Die 59-Jährige stammt aus einer Theaterfamilie: Schon ihr Vater war Schauspieler am Hans Otto Theater, zwei ihrer fünf Geschwister sind ebenfalls Schauspieler geworden. Trotzdem versuchte der Vater seine Tochter vom Theater fernzuhalten: Es sei kein guter Ort für junge Mädchen. „Ich habe als Kind noch nicht mal gern geknetet“, lacht Dahme. „Ich war sehr schüchtern. Dass ich später mal zwischen lauter Männern mit der Kettensäge herumspringe, konnte sich wirklich niemand vorstellen.“
Ihr Arbeitstag beginnt früh, zwischen sieben und halb acht, mit einem kleinen Frühstück mit den Kolleginnen vom Malsaal. „Es ist ein Stoßgeschäft“, erzählt sie. „Es gibt Zeiten, in denen wenig zu tun ist, dann ballt es sich, und man arbeitet bis in den späten Abend hinein.“ Der finanzielle Druck, unter dem die Theater stehen, zeigt sich natürlich auch in der Theaterplastik. Gab es früher ein Materiallager, wird heute nur noch nach Bedarf bestellt und genau kalkuliert, was und wieviel man braucht. Für die Inszenierung „89/90“ schuf Sabine Dahme einen drei Meter hohen Leninkopf aus Styropor. Er ist innen hohl, so dass sie zwei Kubikmeter Material sparen konnte. Viele Pasten und Materialien mischt sie selbst an. „In der DDR habe ich gelernt zu improvisieren. Ich kann mir die meisten Pasten, die ich für die Oberflächengestaltung brauche, mit Gips, Kleber, Kreide, Sägemehl, Harz und Wasser selbst zusammenrühren. Das ist meine Hexenküche“, lacht Dahme.
Für die praktische Arbeit bedarf es aber auch anatomischer Kenntnisse. Modelliert man ein Gesicht, muss man sich im Klaren sein, welche Knochen und Muskulatur sich hinter einem Lächeln verbergen. Außerdem sollte man handwerklich begabt sein, viel Fantasie haben, zeichnen können und sicher im Umgang mit Maschinen und Messern sein. Im städtischen Krankenhaus ist Dahme schon bekannt. Einmal war sie mit dem Cuttermesser abgerutscht und hatte sich den Oberschenkel verletzt. Auf der Suche nach Verbandsmaterial irrte sie mit einer riesigen Schere in der Hand durchs Theater und wunderte sich, dass sie niemanden antraf. Mit stark blutendem Bein humpelte sie schließlich auf die Bühne, wo der damalige Intendant gerade eine Vollversammlung abhielt – ein ungeplanter, spektakulärer Auftritt. Auch eine Pulsader hat sie sich schon mal versehentlich aufgeschnitten.
An ihrem Beruf betrübt Sabine Dahme nur, dass sie so viel Müll produziert und die fachgerechte Entsorgung meist schwierig ist. „Ich frage mich, wie das künftig sein wird, wenn die Müllentsorgung noch teurer wird und immer mehr Materialien verboten werden, weil sie zu umweltschädlich sind. Das könnte für meine Arbeit große Einschränkungen bedeuten.“ Das beschäftigt sie, obwohl sie sich selbst als „Bio-Tusse“ bezeichnet, die sogar im Wald den Müll anderer Menschen einsammelt.
Elena Iris Fichtner
[erschienen in ZUGABE-MAGAZIN 03-2021]
Die 59-Jährige stammt aus einer Theaterfamilie: Schon ihr Vater war Schauspieler am Hans Otto Theater, zwei ihrer fünf Geschwister sind ebenfalls Schauspieler geworden. Trotzdem versuchte der Vater seine Tochter vom Theater fernzuhalten: Es sei kein guter Ort für junge Mädchen. „Ich habe als Kind noch nicht mal gern geknetet“, lacht Dahme. „Ich war sehr schüchtern. Dass ich später mal zwischen lauter Männern mit der Kettensäge herumspringe, konnte sich wirklich niemand vorstellen.“
Ihr Arbeitstag beginnt früh, zwischen sieben und halb acht, mit einem kleinen Frühstück mit den Kolleginnen vom Malsaal. „Es ist ein Stoßgeschäft“, erzählt sie. „Es gibt Zeiten, in denen wenig zu tun ist, dann ballt es sich, und man arbeitet bis in den späten Abend hinein.“ Der finanzielle Druck, unter dem die Theater stehen, zeigt sich natürlich auch in der Theaterplastik. Gab es früher ein Materiallager, wird heute nur noch nach Bedarf bestellt und genau kalkuliert, was und wieviel man braucht. Für die Inszenierung „89/90“ schuf Sabine Dahme einen drei Meter hohen Leninkopf aus Styropor. Er ist innen hohl, so dass sie zwei Kubikmeter Material sparen konnte. Viele Pasten und Materialien mischt sie selbst an. „In der DDR habe ich gelernt zu improvisieren. Ich kann mir die meisten Pasten, die ich für die Oberflächengestaltung brauche, mit Gips, Kleber, Kreide, Sägemehl, Harz und Wasser selbst zusammenrühren. Das ist meine Hexenküche“, lacht Dahme.
Für die praktische Arbeit bedarf es aber auch anatomischer Kenntnisse. Modelliert man ein Gesicht, muss man sich im Klaren sein, welche Knochen und Muskulatur sich hinter einem Lächeln verbergen. Außerdem sollte man handwerklich begabt sein, viel Fantasie haben, zeichnen können und sicher im Umgang mit Maschinen und Messern sein. Im städtischen Krankenhaus ist Dahme schon bekannt. Einmal war sie mit dem Cuttermesser abgerutscht und hatte sich den Oberschenkel verletzt. Auf der Suche nach Verbandsmaterial irrte sie mit einer riesigen Schere in der Hand durchs Theater und wunderte sich, dass sie niemanden antraf. Mit stark blutendem Bein humpelte sie schließlich auf die Bühne, wo der damalige Intendant gerade eine Vollversammlung abhielt – ein ungeplanter, spektakulärer Auftritt. Auch eine Pulsader hat sie sich schon mal versehentlich aufgeschnitten.
An ihrem Beruf betrübt Sabine Dahme nur, dass sie so viel Müll produziert und die fachgerechte Entsorgung meist schwierig ist. „Ich frage mich, wie das künftig sein wird, wenn die Müllentsorgung noch teurer wird und immer mehr Materialien verboten werden, weil sie zu umweltschädlich sind. Das könnte für meine Arbeit große Einschränkungen bedeuten.“ Das beschäftigt sie, obwohl sie sich selbst als „Bio-Tusse“ bezeichnet, die sogar im Wald den Müll anderer Menschen einsammelt.
Elena Iris Fichtner
[erschienen in ZUGABE-MAGAZIN 03-2021]
MASKE
Haare, Wunden & Tattoos
In der Maske des Hans Otto Theaters werden die Schauspieler*innen verwandelt. Doch unter Corona-Bedingungen ist auch hier fast nichts mehr, wie es vorher war.
Wenn man das Treppenhaus neben dem Bühneneingang hinaufgeht, zieht einem ein spezieller Geruch in die Nase. Er umfängt einen wie die Umarmung eines vertrauten Menschen. Am Ende des Flurs im ersten Stock, neben den Schauspielergarderoben, befindet sich die Maske. Sechs schwarze, höhenverstellbare Stühle stehen vor großen Spiegeln, in der Mitte ein großer Tisch, an den Wänden Holzköpfe mit Perücken. Die Fensterfront erlaubt einen weiten Blick über den Tiefen See. Der Geruch strömt aus dem hellen, warmen Raum; es ist eine Mischung aus Puder, Make-up, Kunstblut und Kosmetika.
Sechs Maskenbildner*innen arbeiten hier in Schichten – normalerweise. Im Tagesdienst werden Perücken und Bärte geknüpft, frisiert und gepflegt; auch künstliche Haare brauchen einmal eine Haarkur. In der Zeit vor dem Abstandsgebot wurden hier zudem Kopfabdrücke von Schauspieler*innen genommen, damit später die Perücken direkt auf Maß angefertigt werden können. Auch das Rosentattoo, das Franziska Melzer als Daisy in „Die Nashörner“ auf dem Oberarm trägt, ist hier entstanden.
Handwerklich und künstlerisch sollte man in diesem Beruf begabt sein, ein gutes Vorstellungsvermögen besitzen und sich in die Kostümbildner*innen hineinversetzen können. Es sei wichtig, das Konzept einer Inszenierung zu verstehen und möglichst viel Hintergrundwissen zu erhalten, erklärt Ute Born, die seit 2003 am Hans Otto Theater arbeitet. Die Leitung der Maske hat sie 2011 übernommen. Seitdem ist auch ihr Stellvertreter Nikolai Meyer auf seiner Position. In Vorbereitung einer Haare, Wunden & Tattoos In der Maske des Hans Otto Theaters werden die Schauspieler*innen verwandelt. Doch unter Corona-Bedingungen ist auch hier fast nichts mehr, wie es vorher war. In der Maske: Nikolai Meyer, Stefanie Fries, Ute Born, Lucia Krämer-Panke und Calina Tietze Inszenierung sind viele Fragen zu klären: Zu welcher Zeit soll ein Bezug hergestellt werden? Wie ist die Rolle angelegt? „Wenn Effekte – wie beispielsweise Wunden – gewünscht werden, müssen wir wissen: Warum blutet die Person? Ist es eine Schuss- oder Stichverletzung? Wie alt ist die Wunde?“
Seit im September der Spielbetrieb wieder aufgenommen wurde, hat sich die Arbeit in der Maske radikal verändert. Es dürfen nie mehr als sechs Personen gleichzeitig im Schminkraum sein. Die Schauspieler*innen lernen in Workshops, sich selbst zu schminken: Auf dem eigenen Konterfei wird dafür eine Schminkanleitung aufgezeichnet und dann mit Abstand das Schminken angeleitet. Das geht natürlich nicht immer. Wenn direkt am Menschen gearbeitet wird, müssen sich auch die Maskenbildner*innen in Schale werfen: Die FFP2-Maske und darüber ein Visier sind Pflicht, ebenso eine Tunika, die nach jedem Schminken gewaschen wird. Perücken werden mit Handschuhen abgenommen. Alle müssen sich vorab die Haare waschen, die Männer sich zu Hause rasieren. Und vor jedem Umschminken heißt es: Gesicht waschen und trocknen lassen. „In den Endproben müssen die Schauspieler*innen das dann täglich machen“, erklärt Ute Born. „Das ist belastend. Aber uns ist wichtig, dass das Theatererlebnis für das Publikum noch genauso toll ist wie vorher.“ Dafür finden sie und ihr Team jeden Tag aufs Neue kreative Lösungen.
Elena Iris Fichtner
[erschienen in ZUGABE-MAGAZIN 04-2020]
Sechs Maskenbildner*innen arbeiten hier in Schichten – normalerweise. Im Tagesdienst werden Perücken und Bärte geknüpft, frisiert und gepflegt; auch künstliche Haare brauchen einmal eine Haarkur. In der Zeit vor dem Abstandsgebot wurden hier zudem Kopfabdrücke von Schauspieler*innen genommen, damit später die Perücken direkt auf Maß angefertigt werden können. Auch das Rosentattoo, das Franziska Melzer als Daisy in „Die Nashörner“ auf dem Oberarm trägt, ist hier entstanden.
Handwerklich und künstlerisch sollte man in diesem Beruf begabt sein, ein gutes Vorstellungsvermögen besitzen und sich in die Kostümbildner*innen hineinversetzen können. Es sei wichtig, das Konzept einer Inszenierung zu verstehen und möglichst viel Hintergrundwissen zu erhalten, erklärt Ute Born, die seit 2003 am Hans Otto Theater arbeitet. Die Leitung der Maske hat sie 2011 übernommen. Seitdem ist auch ihr Stellvertreter Nikolai Meyer auf seiner Position. In Vorbereitung einer Haare, Wunden & Tattoos In der Maske des Hans Otto Theaters werden die Schauspieler*innen verwandelt. Doch unter Corona-Bedingungen ist auch hier fast nichts mehr, wie es vorher war. In der Maske: Nikolai Meyer, Stefanie Fries, Ute Born, Lucia Krämer-Panke und Calina Tietze Inszenierung sind viele Fragen zu klären: Zu welcher Zeit soll ein Bezug hergestellt werden? Wie ist die Rolle angelegt? „Wenn Effekte – wie beispielsweise Wunden – gewünscht werden, müssen wir wissen: Warum blutet die Person? Ist es eine Schuss- oder Stichverletzung? Wie alt ist die Wunde?“
Seit im September der Spielbetrieb wieder aufgenommen wurde, hat sich die Arbeit in der Maske radikal verändert. Es dürfen nie mehr als sechs Personen gleichzeitig im Schminkraum sein. Die Schauspieler*innen lernen in Workshops, sich selbst zu schminken: Auf dem eigenen Konterfei wird dafür eine Schminkanleitung aufgezeichnet und dann mit Abstand das Schminken angeleitet. Das geht natürlich nicht immer. Wenn direkt am Menschen gearbeitet wird, müssen sich auch die Maskenbildner*innen in Schale werfen: Die FFP2-Maske und darüber ein Visier sind Pflicht, ebenso eine Tunika, die nach jedem Schminken gewaschen wird. Perücken werden mit Handschuhen abgenommen. Alle müssen sich vorab die Haare waschen, die Männer sich zu Hause rasieren. Und vor jedem Umschminken heißt es: Gesicht waschen und trocknen lassen. „In den Endproben müssen die Schauspieler*innen das dann täglich machen“, erklärt Ute Born. „Das ist belastend. Aber uns ist wichtig, dass das Theatererlebnis für das Publikum noch genauso toll ist wie vorher.“ Dafür finden sie und ihr Team jeden Tag aufs Neue kreative Lösungen.
Elena Iris Fichtner
[erschienen in ZUGABE-MAGAZIN 04-2020]
Kostümabteilung
Im Reich der tausend Kleider
Hier entstehen Kleidungsstücke, die alles aushalten: Schwitzen, Theaterblut, stundenlange Wasserbäder. Ein Besuch in der Kostümabteilung von Hans Otto
Kraftvoll schiebt Kostümdirektorin Antje Sternberg eine Handvoll Bügel mit prunkvollen Abendkleidern an die Spitze der langen Garderobenstange – eine von vielen, die hier von der Decke hängen. Der kleine Raum nebenan sieht ein bisschen aus wie ein Tigerkäfig im Zoo. Hier lagern die Kostüme der aktuellen Produktionen. Für manche Kostümbildner*innen, die landauf, landab an verschiedenen Häusern arbeiten, ist dies „der bestsortierte Fundus der Theaterwelt“.
16 Frauen sind in der Kostümabteilung beschäftigt. Eine Schuhmacherin gehört ebenso dazu wie die Ankleiderinnen. Der Theaterfundus ist das Herzstück. „Wir haben über 10.000 Kostüme. Es fällt uns schwer, Dinge wegzuschmeißen“, erklärt Antje Sternberg, die seit 1999 am Hans Otto Theater arbeitet. Hier finden sich Schätze wie eine silberne Ritterrüstung, die aus Paketschnur gestrickt wurde, und natürlich all die Proben- und Aufführungskostüme der aktuellen Stücke. Nach dem Umzug an den Tiefen See 2006 konnte der Fundus komplett neu aufgebaut werden. „Wir sortieren nicht nach Stücken, sondern nach Themen: Männer oder Frauen, Hemden oder Kleider, manchmal auch nach Farben. Das ist sehr viel Arbeit, täglich gehen Kostüme rein und raus“, erzählt Sternberg.
Jede Inszenierung verlangt ein intensives Einfühlen in die künstlerische Idee. Dabei ist es auch wichtig zu wissen, welchen Anforderungen das Kleidungsstück genügen muss: Soll es schnell an- oder ausgezogen werden? Wie bewegt sich die Person, die das Kostüm tragen wird? Schwitzt sie viel? „In jedem Ensemble gibt es jemanden, bei dem immer die Hosen kaputt gehen, wirklich immer. Dann nähen wir auch manche Stellen doppelt“, lacht Gewandmeisterin Antje Kyntschl, die zugleich stellvertretende Kostümdirektorin ist.
Aufgeteilt ist die Schneiderei in einen Damen- und einen Herrenbereich. Die Nähmaschinen stehen in zwei großen, hellen Räumen, deren Wände Theaterplakate und Figurinen zieren. Besonders schön und kniffelig war es für die Schneiderinnen, die runden, ausladenden Kostüme der „Geldsäcke“ in „Cabaret“ zu erfinden: Sie werden durch eingenähte Hula-Hoop-Reifen in ihre Form gebracht. Ganz anders die Kugelkostüme der „Nashörner“, für die Federstahl verarbeitet wurde, damit sie sich zusammenschieben können und die Form auch im Sitzen erhalten bleibt. Ende März veränderte sich der Arbeitsalltag in der Schneiderei radikal: Dort, wo sonst unterschiedlichste Materialien durch die Nähmaschinen rattern, war plötzlich Fließbandarbeit angesagt. 2.000 Mund-Nasenschutz-Masken mussten genäht werden – als Spende des Theaters an das Klinikum Ernst von Bergmann und für die eigene Belegschaft. Welchen Anforderungen künftige Kostüme unter Corona-Bedingungen genügen müssen, wird sich erst noch zeigen. Ein kreativer Umgang mit der aktuellen Lage ist jedoch gewiss.
Elena Iris Fichtner
16 Frauen sind in der Kostümabteilung beschäftigt. Eine Schuhmacherin gehört ebenso dazu wie die Ankleiderinnen. Der Theaterfundus ist das Herzstück. „Wir haben über 10.000 Kostüme. Es fällt uns schwer, Dinge wegzuschmeißen“, erklärt Antje Sternberg, die seit 1999 am Hans Otto Theater arbeitet. Hier finden sich Schätze wie eine silberne Ritterrüstung, die aus Paketschnur gestrickt wurde, und natürlich all die Proben- und Aufführungskostüme der aktuellen Stücke. Nach dem Umzug an den Tiefen See 2006 konnte der Fundus komplett neu aufgebaut werden. „Wir sortieren nicht nach Stücken, sondern nach Themen: Männer oder Frauen, Hemden oder Kleider, manchmal auch nach Farben. Das ist sehr viel Arbeit, täglich gehen Kostüme rein und raus“, erzählt Sternberg.
Jede Inszenierung verlangt ein intensives Einfühlen in die künstlerische Idee. Dabei ist es auch wichtig zu wissen, welchen Anforderungen das Kleidungsstück genügen muss: Soll es schnell an- oder ausgezogen werden? Wie bewegt sich die Person, die das Kostüm tragen wird? Schwitzt sie viel? „In jedem Ensemble gibt es jemanden, bei dem immer die Hosen kaputt gehen, wirklich immer. Dann nähen wir auch manche Stellen doppelt“, lacht Gewandmeisterin Antje Kyntschl, die zugleich stellvertretende Kostümdirektorin ist.
Aufgeteilt ist die Schneiderei in einen Damen- und einen Herrenbereich. Die Nähmaschinen stehen in zwei großen, hellen Räumen, deren Wände Theaterplakate und Figurinen zieren. Besonders schön und kniffelig war es für die Schneiderinnen, die runden, ausladenden Kostüme der „Geldsäcke“ in „Cabaret“ zu erfinden: Sie werden durch eingenähte Hula-Hoop-Reifen in ihre Form gebracht. Ganz anders die Kugelkostüme der „Nashörner“, für die Federstahl verarbeitet wurde, damit sie sich zusammenschieben können und die Form auch im Sitzen erhalten bleibt. Ende März veränderte sich der Arbeitsalltag in der Schneiderei radikal: Dort, wo sonst unterschiedlichste Materialien durch die Nähmaschinen rattern, war plötzlich Fließbandarbeit angesagt. 2.000 Mund-Nasenschutz-Masken mussten genäht werden – als Spende des Theaters an das Klinikum Ernst von Bergmann und für die eigene Belegschaft. Welchen Anforderungen künftige Kostüme unter Corona-Bedingungen genügen müssen, wird sich erst noch zeigen. Ein kreativer Umgang mit der aktuellen Lage ist jedoch gewiss.
Elena Iris Fichtner
Beleuchtung
Ein großer, leiser Mann
Alfried Albert hat zwei Jahrzehnte lang als Beleuchter am Hans Otto Theater gearbeitet. Zum Jahreswechsel ging er in den Ruhestand. Die Schauspielerin Franziska Melzer widmet ihm zum Abschied diesen Text.
Heli gehört zu den ersten Gesichtern, zu den ersten Menschen, an die ich mich aus meiner Anfangszeit am Hans Otto Theater erinnere. Er hat diese freundliche, zurückhaltende Art, ist so ein großer, leiser Mensch, aus dessen Augen aber Funken sprühen, wenn ihm was gefällt, ihn was begeistert. Und nun ist der Beleuchter Helfried Albert nach 20 Jahren am HOT zum Ende des Jahres in Rente gegangen.
Bei unserem Gespräch erzählt er mir, dass sein Weg zum Theater irgendwie zwangsläufig war. Seine Großeltern waren fahrende Schauspieler in der Truppe seiner Urgroßmutter im damaligen Sudetenland. Der Zweite Weltkrieg setzte dem ein Ende, und Helis Eltern wurden in Stollberg im Erzgebirge sesshaft. Schon als Schüler machte er bei einer Pioniertheatergruppe mit. „Theater hieß für mich: raus aus dem Zwang, rein in die Rolle.“ Lange war er einer, der immer aneckte, gegen die Enge der DDR anrannte, sich „nie wohlgefühlt hat in der Kollektivwirtschaft“. Als Erwachsener arbeitete er zuerst bei der Reichsbahn, und als sich dann eine Beleuchterstelle im Metropoltheater auftat, begann für Heli eine tolle und wichtige Zeit.
Was macht eigentlich ein Beleuchter, Heli? „Ein Beleuchter richtet nach den Vorgaben des Regisseurs und des Bühnenbildners das Licht auf der Bühne so ein, dass eine neue Welt entsteht. Licht macht nicht nur den Bühnenraum plastisch, sondern auch die Personen, die Gesichter. Es ist unglaublich, was man mit Licht machen kann.“ In den letzten Jahren hat sich die Arbeit gewaltig verändert, erzählt er. „Wir arbeiten sehr häufig mit computergesteuerten Scheinwerfern, die auch Bilder und Farben auf die Bühne zaubern können. Und mein Job im Stellwerk ist es, diesen Computer zu bedienen.“ In der Beleuchtungsabteilung arbeiten neben Heli noch acht weitere Beleuchter, zwei Beleuchtungsmeister, der Leiter der Abteilung und sein Stellvertreter.
„Ich habe auf, hinter und vor der Bühne viel gelernt. Vor allem aber, wie wichtig Toleranz ist. Leben und leben lassen, denn die Show sollte weitergehen“, fasst Heli seine Erfahrungen zusammen. „Im Theater trifft der hoffnungslose Träumer auf den knallharten Realisten, der Tyrann, der sein Selbstbewusstsein aus allen Poren schwitzt, auf hochsensible, feinsinnige Philanthropen, der Tatendrang auf Resignation. Dass mir die aktive Zeit am Hans Otto Theater in besonders schöner Erinnerung bleiben wird, liegt an der Freundlichkeit und Toleranz aller Kollegen, denen ich bei dieser Gelegenheit danke sagen möchte. Ganz besonders dem Abteilungsleiter Thomas Schellenberger – für mich der beste Chef, den ich je hatte. Ich wünsche allen Kollegen eine wunderschöne Zeit!“
Für die Zukunft hat Heli viele Pläne. Er wird seine Leidenschaften pflegen, die lange zu kurz kamen. Er begeistert sich zum Beispiel für Physik und schreibt über die Relativitätstheorie. Und er bearbeitet Fotografien am Computer auf kunstvolle Weise. Lieber Heli, genieße deine neugewonnene Zeit! Wir werden dich vermissen. Sehr!
Franziska Melzer ist seit der Spielzeit 2009/10 Ensemblemitglied am Hans Otto Theater. Derzeit ist sie u. a. in „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, „Auf dich, Theo!“ und „Das achte Leben (Für Brilka)“ zu sehen.
veröffentlicht in ZUGABE MAGAZIN 01-2020
Bei unserem Gespräch erzählt er mir, dass sein Weg zum Theater irgendwie zwangsläufig war. Seine Großeltern waren fahrende Schauspieler in der Truppe seiner Urgroßmutter im damaligen Sudetenland. Der Zweite Weltkrieg setzte dem ein Ende, und Helis Eltern wurden in Stollberg im Erzgebirge sesshaft. Schon als Schüler machte er bei einer Pioniertheatergruppe mit. „Theater hieß für mich: raus aus dem Zwang, rein in die Rolle.“ Lange war er einer, der immer aneckte, gegen die Enge der DDR anrannte, sich „nie wohlgefühlt hat in der Kollektivwirtschaft“. Als Erwachsener arbeitete er zuerst bei der Reichsbahn, und als sich dann eine Beleuchterstelle im Metropoltheater auftat, begann für Heli eine tolle und wichtige Zeit.
Was macht eigentlich ein Beleuchter, Heli? „Ein Beleuchter richtet nach den Vorgaben des Regisseurs und des Bühnenbildners das Licht auf der Bühne so ein, dass eine neue Welt entsteht. Licht macht nicht nur den Bühnenraum plastisch, sondern auch die Personen, die Gesichter. Es ist unglaublich, was man mit Licht machen kann.“ In den letzten Jahren hat sich die Arbeit gewaltig verändert, erzählt er. „Wir arbeiten sehr häufig mit computergesteuerten Scheinwerfern, die auch Bilder und Farben auf die Bühne zaubern können. Und mein Job im Stellwerk ist es, diesen Computer zu bedienen.“ In der Beleuchtungsabteilung arbeiten neben Heli noch acht weitere Beleuchter, zwei Beleuchtungsmeister, der Leiter der Abteilung und sein Stellvertreter.
„Ich habe auf, hinter und vor der Bühne viel gelernt. Vor allem aber, wie wichtig Toleranz ist. Leben und leben lassen, denn die Show sollte weitergehen“, fasst Heli seine Erfahrungen zusammen. „Im Theater trifft der hoffnungslose Träumer auf den knallharten Realisten, der Tyrann, der sein Selbstbewusstsein aus allen Poren schwitzt, auf hochsensible, feinsinnige Philanthropen, der Tatendrang auf Resignation. Dass mir die aktive Zeit am Hans Otto Theater in besonders schöner Erinnerung bleiben wird, liegt an der Freundlichkeit und Toleranz aller Kollegen, denen ich bei dieser Gelegenheit danke sagen möchte. Ganz besonders dem Abteilungsleiter Thomas Schellenberger – für mich der beste Chef, den ich je hatte. Ich wünsche allen Kollegen eine wunderschöne Zeit!“
Für die Zukunft hat Heli viele Pläne. Er wird seine Leidenschaften pflegen, die lange zu kurz kamen. Er begeistert sich zum Beispiel für Physik und schreibt über die Relativitätstheorie. Und er bearbeitet Fotografien am Computer auf kunstvolle Weise. Lieber Heli, genieße deine neugewonnene Zeit! Wir werden dich vermissen. Sehr!
Franziska Melzer ist seit der Spielzeit 2009/10 Ensemblemitglied am Hans Otto Theater. Derzeit ist sie u. a. in „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, „Auf dich, Theo!“ und „Das achte Leben (Für Brilka)“ zu sehen.
veröffentlicht in ZUGABE MAGAZIN 01-2020
Malsaal
„Das Handwerk muss sitzen“
Hier muss man groß denken: Im Malsaal des Hans Otto Theaters erhalten die Bühnenbilder ihre Optik. Ein Besuch bei den Potsdamer Theatermaler*innen.
Elf mal fünf Meter groß ist die Leinwand, auf die Norbert Wagner Figuren aus dem wilden Berlin der 20er Jahre malt. Es handelt sich um die Imitation eines Bildes von George Grosz. Ausgebreitet liegt der Prospekt auf dem Boden eines ehemaligen Autohauses in der Berliner Straße. Da sich im hauseigenen Malsaal die Arbeit gerade stapelt, wurde der Raum zusätzlich angemietet.
Neben der Bühne ist der Malsaal vermutlich der größte Raum im Hans Otto Theater. Lichtdurchflutet und voller Farbspritzer wird er von den drei Theatermaler*innen Silke Helmus, Jacqueline Teschner und Norbert Wagner belebt. Meist werden mehrere Theaterproduktionen gleichzeitig bearbeitet, momentan die Bühnenbilder für „Homo empathicus“ und „Cabaret“. Immer wieder kommen Reparaturen nach den Vorstellungen hinzu. „Unser Arbeitstag ist kaum planbar“, lacht Jacqueline Teschner. Sie hat zunächst am Hans Otto Theater eine Ausbildung zur Theatermalerin absolviert, um dann in Dresden Theatermalerei zu studieren. Seit 2016 leitet sie den Malsaal. „Im laufenden Theaterbetrieb hat man keine Zeit, um etwas auszuprobieren. Das Handwerk muss einfach sitzen. Im Studium konnte man eine Malerei über Monate komplett ,durchstehen‘. Dort lernt man, detailliert Architektur, Figuren, Pflanzen und Landschaften zu kopieren und dann vergrößert zu malen. Und darauf kommt es an.“ Zu Beginn jeder Produktion gibt es eine Bauprobe. Dort stellt das künstlerische Team den Gewerken am Theater seine Pläne vor. Darauf folgt die Werkstattabgabe, bei der die Bühnenbildner*innen ihr Modell und ihre Zeichnungen präsentieren und erklären müssen. „Es ist wichtig zu verstehen, welche Optik genau gewollt ist. Nicht jeder kann gut ausdrücken, was er sich vorstellt“, so Teschner. Friedrich Eggert, der Bühnenbildner von „Cabaret“, weiß genau, was er will: Das Rot muss noch ein bisschen wärmer sein, das Ornament ein bisschen zackiger. „Das ist super. Anstrengend wird es, wenn keine Entscheidungen getroffen werden.“
Im Bühnenbild von „Cabaret“ wird so gut wie alles bemalt, die Wände, der Tanzboden, jedes Möbelstück. Hinzu kommen drei Prospekte, die dann, von oben heruntergelassen, das Bühnenbild ergänzen. Die Vorlagen werden mit Hilfe eines Quadratnetzes auf die Prospekte übertragen. „Es ist nicht so, dass wir schauen, welche Striche in welchem Quadrat sind und das dann auf den Stoff malen. Sondern wir stehen direkt auf dem Bild mit großen langen Pinseln und Malstäben und versuchen, das Motiv auf den Stoff zu übertragen. Deshalb gibt es in Malsälen auch häufig Galerien und Leitern, damit man von oben auf das Bild gucken kann. Man braucht den Abstand, um sich vorstellen zu können, wie es nachher auf der Bühne aussehen soll“, erläutert Teschner. Manchmal sieht sie nach der Arbeit nur noch Striche oder Blätter vor den Augen – je nachdem, woran sie gerade arbeitet.
Ungefähr sechs Wochen hat das Malsaal-Team Zeit, um alle Arbeiten für ein Stück zu erledigen. Die Grosz-Kopie wird dann übrigens im Bühnenbild von „Cabaret“ zu bewundern sein.
Elena Iris Fichtner
veröffentlicht in ZUGABE MAGAZIN 04-2019
Neben der Bühne ist der Malsaal vermutlich der größte Raum im Hans Otto Theater. Lichtdurchflutet und voller Farbspritzer wird er von den drei Theatermaler*innen Silke Helmus, Jacqueline Teschner und Norbert Wagner belebt. Meist werden mehrere Theaterproduktionen gleichzeitig bearbeitet, momentan die Bühnenbilder für „Homo empathicus“ und „Cabaret“. Immer wieder kommen Reparaturen nach den Vorstellungen hinzu. „Unser Arbeitstag ist kaum planbar“, lacht Jacqueline Teschner. Sie hat zunächst am Hans Otto Theater eine Ausbildung zur Theatermalerin absolviert, um dann in Dresden Theatermalerei zu studieren. Seit 2016 leitet sie den Malsaal. „Im laufenden Theaterbetrieb hat man keine Zeit, um etwas auszuprobieren. Das Handwerk muss einfach sitzen. Im Studium konnte man eine Malerei über Monate komplett ,durchstehen‘. Dort lernt man, detailliert Architektur, Figuren, Pflanzen und Landschaften zu kopieren und dann vergrößert zu malen. Und darauf kommt es an.“ Zu Beginn jeder Produktion gibt es eine Bauprobe. Dort stellt das künstlerische Team den Gewerken am Theater seine Pläne vor. Darauf folgt die Werkstattabgabe, bei der die Bühnenbildner*innen ihr Modell und ihre Zeichnungen präsentieren und erklären müssen. „Es ist wichtig zu verstehen, welche Optik genau gewollt ist. Nicht jeder kann gut ausdrücken, was er sich vorstellt“, so Teschner. Friedrich Eggert, der Bühnenbildner von „Cabaret“, weiß genau, was er will: Das Rot muss noch ein bisschen wärmer sein, das Ornament ein bisschen zackiger. „Das ist super. Anstrengend wird es, wenn keine Entscheidungen getroffen werden.“
Im Bühnenbild von „Cabaret“ wird so gut wie alles bemalt, die Wände, der Tanzboden, jedes Möbelstück. Hinzu kommen drei Prospekte, die dann, von oben heruntergelassen, das Bühnenbild ergänzen. Die Vorlagen werden mit Hilfe eines Quadratnetzes auf die Prospekte übertragen. „Es ist nicht so, dass wir schauen, welche Striche in welchem Quadrat sind und das dann auf den Stoff malen. Sondern wir stehen direkt auf dem Bild mit großen langen Pinseln und Malstäben und versuchen, das Motiv auf den Stoff zu übertragen. Deshalb gibt es in Malsälen auch häufig Galerien und Leitern, damit man von oben auf das Bild gucken kann. Man braucht den Abstand, um sich vorstellen zu können, wie es nachher auf der Bühne aussehen soll“, erläutert Teschner. Manchmal sieht sie nach der Arbeit nur noch Striche oder Blätter vor den Augen – je nachdem, woran sie gerade arbeitet.
Ungefähr sechs Wochen hat das Malsaal-Team Zeit, um alle Arbeiten für ein Stück zu erledigen. Die Grosz-Kopie wird dann übrigens im Bühnenbild von „Cabaret“ zu bewundern sein.
Elena Iris Fichtner
veröffentlicht in ZUGABE MAGAZIN 04-2019
Requisite
Die Alleskönner
Dieses Handwerk kann man nicht erlernen. Wer es ausübt, folgt eher einer Berufung. Ein Besuch in der Requisite des Hans Otto Theaters.
Vor dem Fenster steht eine Sonnenbank. Dort, unter blühenden Sträuchern, gleich neben dem Bühneneingang des Theaters, hat die Requisite ihren Sitz. Aber was ist das eigentlich: die Requisite? Und was genau macht sie so wichtig am Theater?
Alles, was auf der Bühne zu sehen ist, was kleiner ist als ein Möbelstück und was man nicht anziehen kann, zählt am Theater zur Requisite. Also beispielsweise Bettwäsche, Blumen, Briefe, Bücher, Geschirr, Handtaschen, Koffer, Sonnenbrillen, Waffen und Zigaretten. Fünf Requisiteur*innen mit ganz unterschiedlichen Ausbildungen arbeiten hinter den Kulissen: Robin Struhl, der Chef, ist Modellbauer, Christoph Bergmann Tischler, Jana Chiari Schauwerbegestalterin, Sabine Kassebaum Theatermalerin, und Matthias Warneke ist Schlosser. Sie bauen Marionetten, beherrschen die Elektronik und bringen Dinge zum Explodieren. Dafür haben sie extra einen Bühnenpyrotechnikerschein gemacht. Eine Woche lang in Vollzeit, mit Abschlussprüfung.
„Jede Theaterproduktion ist anders, man weiß nie, was auf einen zukommt. Genau das macht den Beruf so spannend. Man muss auf die absurdesten Ideen kommen“, sagt Sabine Kassebaum, seit 2008 am Hans Otto Theater beschäftigt. Zu Probenbeginn bekommt die Requisite eine Liste mit allen Dingen, die für die Inszenierung gebraucht werden. Dann beginnt die Recherche, das Nachdenken, was möglich ist, was man selbst herstellen kann oder was bestellt werden muss. In „Jeder stirbt für sich allein“ sollte ein Radio mitspielen, das genau so aussieht wie zu Falladas Lebzeiten. Die Originalgeräte aus den 20er Jahren waren zu teuer und zu empfindlich. Also baute Sabine Kassebaum das Radio kurzerhand selbst nach: „Ein robuster Holzkasten, der gar nix kann, aber auf der Bühne aussieht wie ein Radio. Die Knöpfe, die vorn aufgeklebt wurden, sind angemalte Flaschendeckel.“ Bei „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ erwies sich die Herstellung der Schneebälle als besondere Herausforderung. Sie müssen essbar sein, mit dem Golfschläger durch den Raum zu schießen und sollten sich beim Aufprall verhalten wie echte Schneebälle. Nach vielen Experimenten erwies sich klein geklopftes Crushed Ice, in Ballform eingefroren, als die Lösung.
Für jedes Stück ist ein*e Requisteur*in zuständig. In den Endproben sind es zwei, damit im Krankheitsfall jemand einspringen kann. „Man muss sehr aufmerksam sein, einen Blick für das große Ganze haben und mögliche Probleme vorhersehen können“, erklärt Jana Chiari, die stellvertretende Leiterin. Um sich alle Abläufe und Requisiten zu merken, führen sie eine penible Liste pro Inszenierung. Gerade wenn ein Stück länger nicht gespielt wird, ist das sehr hilfreich.
Die Requisitenliste für die Eröffnungspremiere „Das achte Leben (Für Brilka)“ ist ungewöhnlich lang, Sabine Kassebaum spricht von einer „Requisiten-Schlacht“. Es könnte sich also lohnen, beim Besuch dieser Inszenierung mal etwas genauer hinzuschauen.
Elena Iris Fichtner
veröffentlicht in ZUGABE MAGAZIN 03-2019
Alles, was auf der Bühne zu sehen ist, was kleiner ist als ein Möbelstück und was man nicht anziehen kann, zählt am Theater zur Requisite. Also beispielsweise Bettwäsche, Blumen, Briefe, Bücher, Geschirr, Handtaschen, Koffer, Sonnenbrillen, Waffen und Zigaretten. Fünf Requisiteur*innen mit ganz unterschiedlichen Ausbildungen arbeiten hinter den Kulissen: Robin Struhl, der Chef, ist Modellbauer, Christoph Bergmann Tischler, Jana Chiari Schauwerbegestalterin, Sabine Kassebaum Theatermalerin, und Matthias Warneke ist Schlosser. Sie bauen Marionetten, beherrschen die Elektronik und bringen Dinge zum Explodieren. Dafür haben sie extra einen Bühnenpyrotechnikerschein gemacht. Eine Woche lang in Vollzeit, mit Abschlussprüfung.
„Jede Theaterproduktion ist anders, man weiß nie, was auf einen zukommt. Genau das macht den Beruf so spannend. Man muss auf die absurdesten Ideen kommen“, sagt Sabine Kassebaum, seit 2008 am Hans Otto Theater beschäftigt. Zu Probenbeginn bekommt die Requisite eine Liste mit allen Dingen, die für die Inszenierung gebraucht werden. Dann beginnt die Recherche, das Nachdenken, was möglich ist, was man selbst herstellen kann oder was bestellt werden muss. In „Jeder stirbt für sich allein“ sollte ein Radio mitspielen, das genau so aussieht wie zu Falladas Lebzeiten. Die Originalgeräte aus den 20er Jahren waren zu teuer und zu empfindlich. Also baute Sabine Kassebaum das Radio kurzerhand selbst nach: „Ein robuster Holzkasten, der gar nix kann, aber auf der Bühne aussieht wie ein Radio. Die Knöpfe, die vorn aufgeklebt wurden, sind angemalte Flaschendeckel.“ Bei „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ erwies sich die Herstellung der Schneebälle als besondere Herausforderung. Sie müssen essbar sein, mit dem Golfschläger durch den Raum zu schießen und sollten sich beim Aufprall verhalten wie echte Schneebälle. Nach vielen Experimenten erwies sich klein geklopftes Crushed Ice, in Ballform eingefroren, als die Lösung.
Für jedes Stück ist ein*e Requisteur*in zuständig. In den Endproben sind es zwei, damit im Krankheitsfall jemand einspringen kann. „Man muss sehr aufmerksam sein, einen Blick für das große Ganze haben und mögliche Probleme vorhersehen können“, erklärt Jana Chiari, die stellvertretende Leiterin. Um sich alle Abläufe und Requisiten zu merken, führen sie eine penible Liste pro Inszenierung. Gerade wenn ein Stück länger nicht gespielt wird, ist das sehr hilfreich.
Die Requisitenliste für die Eröffnungspremiere „Das achte Leben (Für Brilka)“ ist ungewöhnlich lang, Sabine Kassebaum spricht von einer „Requisiten-Schlacht“. Es könnte sich also lohnen, beim Besuch dieser Inszenierung mal etwas genauer hinzuschauen.
Elena Iris Fichtner
veröffentlicht in ZUGABE MAGAZIN 03-2019