„Eine Stadt sind ja nicht nur die, die überliefert sind oder berühmt oder irgendein tolles Gebäude; es sind vor allem die und das, was nie erwähnt wird oder vergessen; Bäume oder irgendein kleines Tier oder Menschen, die einfach unwichtig waren für die großen Geschicke der Welt, wie wir meisten.“ (7 ½ Brücken)
GEDANKEN ZUM BÜHNENGESCHEHEN
Wo fängt man an, wo hört man auf? Was ist wesentlich? Mit Fragen wie diesen ringt das Ensemble gleich zu Beginn bei seinem tollkühnen, aberwitzigen Versuch, eine Stadt und ihre Geschichte an einem Theaterabend abzubilden. Beantwortet werden diese Fragen nicht, vielmehr bleiben sie bis zum Schluss in der Schwebe. So kommen sich die merkwürdigen Gestalten aus der Potsdamer Stadtgeschichte immer wieder in die Quere, unterbrechen, durchkreuzen und konterkarieren sich. Und geraten zumeist irgendwie in Streit miteinander. Positionen werden behauptet und wieder verworfen oder erscheinen plötzlich in einem anderen Licht. Kontroversen, Konflikte und Irritationen bilden gewissermaßen den Treibstoff dieses Abends, bewegen sich dabei zwischen Polen wie Ost und West, Kunst und Militär, Trümmer und Schönheit, Toleranz und Strenge, Anarchie und Drill, Macht und Ohnmacht, Glanz und Elend, Hass und Liebe, Zukunft und Restauration usw. Die Liste von Begriffspaaren, die als Koordinaten einen gedanklichen Hintergrund für unsere Potsdam-Recherche darstellten, ließe sich lange fortsetzen. So kann und soll dieser Abend kein homogenes, abgerundetes Bild Potsdams bieten, sondern eine Collage aus heterogenen, bruchstückartigen Nummern, ein revueartiges Szenenmosaik – vielfarbig schillernd wie ein Kaleidoskop, das sich immer wieder auch anders zusammensetzen ließe. (CH)
„Ich hab das so gesehen, dass ihr feststeckt, in den Debatten, im Zweifel, in der Erinnerung, und im Stau. Und weil das allen so geht, entsteht eine Verbindung zwischen allen.“ (7 ½ Brücken)
„Ich hab das so gesehen, dass ihr feststeckt, in den Debatten, im Zweifel, in der Erinnerung, und im Stau. Und weil das allen so geht, entsteht eine Verbindung zwischen allen.“ (7 ½ Brücken)
JAN NEUMANN IM GESPRÄCH
Du giltst als Experte für Stückentwicklungen. Kannst du uns diese spezielle Arbeitsweise etwas näherbringen?
Ich nehme mir ein Wort oder Thema – in diesem Fall einen Ort, Potsdam – und beschäftige mich gemeinsam mit dem Ensemble damit. Aus Recherchen und Improvisationen entstehen innerhalb weniger Wochen Situationen und Figuren. Der Theatertext wächst erst zeitgleich mit der Inszenierung. Alle müssen darauf vertrauen, dass in so kurzer Zeit ein kompletter Text entsteht. Das ist nervenaufreibend und beglückend zugleich. Die Menschen, die uns bei der Recherche begegnen, inspirieren uns, sie laden das Material mit ihren Geschichten und unterschiedlichen Ansichten auf. Es ist ein Schöpfen aus dem Kollektiv, nicht nur aus sich selbst.
Das Stück ist als „Potsdam-Porträt“ angekündigt. Wie muss man sich das vorstellen?
Der Begriff „Porträt“ lässt eine gewisse Offenheit. Das ist wie bei den Kanzlerporträts im Bundeskanzleramt: Bei jedem Porträt bildet sich nicht nur die gemalte Person ab, sondern auch der Maler, durch die Art, wie er jemanden dargestellt hat. Es geht weder um eine Karikatur noch um ein Schlachtengemälde oder um Vollständigkeit, sondern um verschiedene mögliche Blickwinkel auf Potsdam, die uns die Stadt nochmals neu betrachten lassen. Theater ist Poesie, Drama, Komödie. Unser Abend wird ein Versuch sein, die Sichtweisen auf die Stadtgeschichte mit einem gewissen Humor und mit Gespür für die Dramen von einst und jetzt zu erzählen.
Welche Epochen der Potsdamer Stadtgeschichte begegnen uns auf der Bühne?
Wir beschäftigen uns mit allen Epochen – von der frühen Besiedlung über das bekanntere 18., 19. Jahrhundert bis zu den Brüchen und Umbrüchen des 20. Jahrhunderts. Unsere Erzählung wird aber aus der Gegenwart heraus sein. Es wird kein Historienstück oder Dokumentartheater, auch wenn wir Urkunden oder alte Edikte erwähnen; eher eine Art Revue, bei der man verschiedene Aspekte der Stadt erleben kann.
Wofür stehen die sieben Brücken im Titel?
Potsdam ist eine Insel, auf die führen Brücken. Irgendwo las ich, es seien sieben, die jetzt Potsdam mit dem Festland verbinden. Klingt wie im Märchen: Sieben Brücken. Diese Brücken sind die Verbindung zwischen verschiedenen Ufern – oder einfach mit der Welt. Und die halbe Brücke ist dabei ein Sinnbild für eine gescheiterte Beziehung oder die nicht zustande gekommene Verständigung zwischen zwei zerstrittenen Parteien. Damit eine Beziehung entstehen kann, dafür braucht es mindestens zwei, die bereit sind, sich zu verbinden, sozusagen eine Brücke zu bauen über das, was sie trennt. Wenn die eine Seite will und die andere nicht, wird es eine halbe Brücke bleiben. Die Welt ist voller halber Brücken, halb fertigen, halb eingestürzten, halb abgerissenen. Ein Begriff, der mich dabei auch beschäftigt, ist das Wort „Sehnsucht“ – zum Beispiel nach etwas, das lange verloren ist. Sehnsucht ist eine Brücke, die irgendwohin führt, aber kein Ende hat. Eine halbe Brücke eben.
Was fasziniert dich darüber hinaus an Potsdam?
Dass ich einen anderen Blick auf meine Gegenwart bekomme, je mehr ich über diesen Ort erfahre. Das wachsende Bewusstsein, wie diese Landschaft früher ausgesehen hat, wie viele, viele Menschen hier gelebt haben, sie aufgebaut, gestaltet, benutzt oder zerstört haben und aus welchem Grund. Von den allermeisten gibt es nur noch zarte Spuren, sie sind verschwunden. Beim Blick zurück stelle ich fest, dass Veränderung und Umbrüche Normalzustand sind – das bedeutet für mich tatsächlich auch Trost und Inspiration für das Leben im Hier und Jetzt. Vor allem war und bin ich immer wieder berührt von der Schönheit dieser Landschaft, wie wahrscheinlich jede und jeder... Diese Gleichzeitigkeit von Natur und Kultur finde ich schon faszinierend, gerade auch in ihrer Verschränkung bei gleichzeitiger Gegensätzlichkeit.
aus: Zugabe 03 – 24 (gekürzt und redaktionell bearbeitet)
„Es geht darum, dass alle was fühlen. – Nein, dass jede Person eine Position vertritt, und wir die Positionen der Personen, die wir vertreten, so vertreten, dass sie vertretbar sind.“ (7 ½ Brücken)
Ich nehme mir ein Wort oder Thema – in diesem Fall einen Ort, Potsdam – und beschäftige mich gemeinsam mit dem Ensemble damit. Aus Recherchen und Improvisationen entstehen innerhalb weniger Wochen Situationen und Figuren. Der Theatertext wächst erst zeitgleich mit der Inszenierung. Alle müssen darauf vertrauen, dass in so kurzer Zeit ein kompletter Text entsteht. Das ist nervenaufreibend und beglückend zugleich. Die Menschen, die uns bei der Recherche begegnen, inspirieren uns, sie laden das Material mit ihren Geschichten und unterschiedlichen Ansichten auf. Es ist ein Schöpfen aus dem Kollektiv, nicht nur aus sich selbst.
Das Stück ist als „Potsdam-Porträt“ angekündigt. Wie muss man sich das vorstellen?
Der Begriff „Porträt“ lässt eine gewisse Offenheit. Das ist wie bei den Kanzlerporträts im Bundeskanzleramt: Bei jedem Porträt bildet sich nicht nur die gemalte Person ab, sondern auch der Maler, durch die Art, wie er jemanden dargestellt hat. Es geht weder um eine Karikatur noch um ein Schlachtengemälde oder um Vollständigkeit, sondern um verschiedene mögliche Blickwinkel auf Potsdam, die uns die Stadt nochmals neu betrachten lassen. Theater ist Poesie, Drama, Komödie. Unser Abend wird ein Versuch sein, die Sichtweisen auf die Stadtgeschichte mit einem gewissen Humor und mit Gespür für die Dramen von einst und jetzt zu erzählen.
Welche Epochen der Potsdamer Stadtgeschichte begegnen uns auf der Bühne?
Wir beschäftigen uns mit allen Epochen – von der frühen Besiedlung über das bekanntere 18., 19. Jahrhundert bis zu den Brüchen und Umbrüchen des 20. Jahrhunderts. Unsere Erzählung wird aber aus der Gegenwart heraus sein. Es wird kein Historienstück oder Dokumentartheater, auch wenn wir Urkunden oder alte Edikte erwähnen; eher eine Art Revue, bei der man verschiedene Aspekte der Stadt erleben kann.
Wofür stehen die sieben Brücken im Titel?
Potsdam ist eine Insel, auf die führen Brücken. Irgendwo las ich, es seien sieben, die jetzt Potsdam mit dem Festland verbinden. Klingt wie im Märchen: Sieben Brücken. Diese Brücken sind die Verbindung zwischen verschiedenen Ufern – oder einfach mit der Welt. Und die halbe Brücke ist dabei ein Sinnbild für eine gescheiterte Beziehung oder die nicht zustande gekommene Verständigung zwischen zwei zerstrittenen Parteien. Damit eine Beziehung entstehen kann, dafür braucht es mindestens zwei, die bereit sind, sich zu verbinden, sozusagen eine Brücke zu bauen über das, was sie trennt. Wenn die eine Seite will und die andere nicht, wird es eine halbe Brücke bleiben. Die Welt ist voller halber Brücken, halb fertigen, halb eingestürzten, halb abgerissenen. Ein Begriff, der mich dabei auch beschäftigt, ist das Wort „Sehnsucht“ – zum Beispiel nach etwas, das lange verloren ist. Sehnsucht ist eine Brücke, die irgendwohin führt, aber kein Ende hat. Eine halbe Brücke eben.
Was fasziniert dich darüber hinaus an Potsdam?
Dass ich einen anderen Blick auf meine Gegenwart bekomme, je mehr ich über diesen Ort erfahre. Das wachsende Bewusstsein, wie diese Landschaft früher ausgesehen hat, wie viele, viele Menschen hier gelebt haben, sie aufgebaut, gestaltet, benutzt oder zerstört haben und aus welchem Grund. Von den allermeisten gibt es nur noch zarte Spuren, sie sind verschwunden. Beim Blick zurück stelle ich fest, dass Veränderung und Umbrüche Normalzustand sind – das bedeutet für mich tatsächlich auch Trost und Inspiration für das Leben im Hier und Jetzt. Vor allem war und bin ich immer wieder berührt von der Schönheit dieser Landschaft, wie wahrscheinlich jede und jeder... Diese Gleichzeitigkeit von Natur und Kultur finde ich schon faszinierend, gerade auch in ihrer Verschränkung bei gleichzeitiger Gegensätzlichkeit.
aus: Zugabe 03 – 24 (gekürzt und redaktionell bearbeitet)
„Es geht darum, dass alle was fühlen. – Nein, dass jede Person eine Position vertritt, und wir die Positionen der Personen, die wir vertreten, so vertreten, dass sie vertretbar sind.“ (7 ½ Brücken)
Weiterführende Links
Aufnahmen und bildliche Darstellungen von Potsdams Brücken in vergangenen Zeiten finden sich hier:
Einen kurzen, prägnanten Überblick über die Potsdamer Stadtgeschichte in groben Zügen
Kurze, lexikonartige Informationen zur Stadt Potsdam, nach Stichworten geordnet, bietet die Seite:
Informationen zum „Edikt von Potsdam“ aus dem Jahre 1685 (Potsdamer Toleranzedikt) sowie Links zu einer Transkription des kompletten Textes und zum „Neuen Potsdamer Toleranzedikt"
Informationen zum Tag von Potsdam: Der Geist von Potsdam gegen den Geist von Weimar sind
Die Bürgerinitiative „Mitteschön“ setzt sich für den Wiederaufbau des historischen Potsdam ein.
Kritiker*innen des Abrisses von Bauten aus DDR-Zeiten und des Wiederaufbaus des historischen Stadtkerns und vor allem der Garnisonkirche stellen ihre Positionen u.a. auf diesen Homepages dar.
Ein kurzes Video über die Potsdamer Hausbesetzerszene Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre findet sich hier. Außerdem sei zur Lektüre empfohlen das Fotobuch von Göran Gnaudschun: Vorher müsst ihr uns erschießen. Hausbesetzer in Potsdam (auch ausleihbar in der Stadtbibliothek Potsdam)
Zur erdgeschichtlichen Entstehung von Potsdam in Bezug auf Geologie, Flora und Fauna sind hier Information zu finden:
Erste frühzeitliche Besiedlungen Potsdams werden auf dieser Seite dargestellt:
Über die Geschichte des Seidenanbaus in Potsdam und Brandenburg finden sich hier Informationen:
Informationen über die „Nacht von Potsdam“, den Bombenangriff der Alliierten auf Potsdam am 14. April 1945,
Interessante Hintergrundinformationen zur Potsdamer Konferenz im Jahre 1945 finden u.a. sich auf folgenden Seiten:
Ganz unterschiedliche historische Dokumente (Originale, die digitalisiert wurden) aus der Geschichte Potsdams und Brandenburgs können