Endlich sagt’s mal jemand
Interview mit Schauspielerin Katja Zinsmeister
In „Linda“, einem Stück über eine Top-Managerin, spielst du die Titelrolle. Ist das etwas Besonderes für dich?
Zinsmeister: „Linda“ ist eine ganz besondere Produktion für mich, weil ich schon so lange auf sie warte. Und dann ist es eben eine Titelrolle – eine Frauenfigur um die fünfzig, die die absolute Hauptrolle ist! Die das Zentrum der Erzählung ist. Ich finde es ganz toll, dass ich das tun darf.
„Linda“ sollte ursprünglich schon im Februar 2021 herauskommen. Drei Jahre später, im März 2024, ist es nun endlich soweit. Du trägst diese Figur also schon eine ganze Weile mit dir herum. Wie nahe bist du ihr gekommen?
Zinsmeister: Natürlich immer näher, weil ich langsam in ihr Alter hineingewachsen bin. Damals war ich noch einen Tick zu jung und dachte, warum jetzt? Warum nicht noch ein bisschen damit warten? Weil es ja genau darum geht, dass eine Frau in dem Alter sich selbst erzählen darf. Sie arbeitet in einem Kosmetikkonzern an einer Produktlinie, mit der sie die Frauen sichtbar machen will – und zwar eben nicht von 30-Jährigen beworben, sondern von Frauen ab fünfzig aufwärts. Und warum sollte das eine Schauspielerin spielen, die jünger ist? Jetzt bin ich fünfzig, jetzt ist es okay.
Im September hast du „Linda“ schon bei den „SchauSpielFenstern“ vorgestellt.
Zinsmeister: Das war so eine tolle Erfahrung! Manchmal frage ich mich selbst: Ist es denn wirklich so wichtig, noch von den Männern angeguckt zu werden? Sind wir inzwischen nicht selbstbewusster? Aber die Frauen haben das so abgefeiert: „Endlich sagt’s mal jemand. Endlich erhebt mal eine die Stimme!“ Das fand ich total interessant. Man verändert sich ja, wenn man in die Wechseljahre kommt. Man hat andere Themen. Und die werden unter anderem in „Linda“ verhandelt. Das gibt es sonst nicht auf der Bühne.
Als Figur ist diese Linda durchaus widersprüchlich.
Zinsmeister: Ja, sie befasst sich zwar mit dem Thema, ist aber selbst jemand, der stundenlang vor dem Spiegel steht und alles auf Perfektion trimmt. Denn sie ist ja Teil dieser Industrie und deren Produkt. Dieser Widerspruch interessiert mich.
erschienen in ZUGABE 01-2024
Interview: Sarah Kugler, Björn Achenbach
Zinsmeister: „Linda“ ist eine ganz besondere Produktion für mich, weil ich schon so lange auf sie warte. Und dann ist es eben eine Titelrolle – eine Frauenfigur um die fünfzig, die die absolute Hauptrolle ist! Die das Zentrum der Erzählung ist. Ich finde es ganz toll, dass ich das tun darf.
„Linda“ sollte ursprünglich schon im Februar 2021 herauskommen. Drei Jahre später, im März 2024, ist es nun endlich soweit. Du trägst diese Figur also schon eine ganze Weile mit dir herum. Wie nahe bist du ihr gekommen?
Zinsmeister: Natürlich immer näher, weil ich langsam in ihr Alter hineingewachsen bin. Damals war ich noch einen Tick zu jung und dachte, warum jetzt? Warum nicht noch ein bisschen damit warten? Weil es ja genau darum geht, dass eine Frau in dem Alter sich selbst erzählen darf. Sie arbeitet in einem Kosmetikkonzern an einer Produktlinie, mit der sie die Frauen sichtbar machen will – und zwar eben nicht von 30-Jährigen beworben, sondern von Frauen ab fünfzig aufwärts. Und warum sollte das eine Schauspielerin spielen, die jünger ist? Jetzt bin ich fünfzig, jetzt ist es okay.
Im September hast du „Linda“ schon bei den „SchauSpielFenstern“ vorgestellt.
Zinsmeister: Das war so eine tolle Erfahrung! Manchmal frage ich mich selbst: Ist es denn wirklich so wichtig, noch von den Männern angeguckt zu werden? Sind wir inzwischen nicht selbstbewusster? Aber die Frauen haben das so abgefeiert: „Endlich sagt’s mal jemand. Endlich erhebt mal eine die Stimme!“ Das fand ich total interessant. Man verändert sich ja, wenn man in die Wechseljahre kommt. Man hat andere Themen. Und die werden unter anderem in „Linda“ verhandelt. Das gibt es sonst nicht auf der Bühne.
Als Figur ist diese Linda durchaus widersprüchlich.
Zinsmeister: Ja, sie befasst sich zwar mit dem Thema, ist aber selbst jemand, der stundenlang vor dem Spiegel steht und alles auf Perfektion trimmt. Denn sie ist ja Teil dieser Industrie und deren Produkt. Dieser Widerspruch interessiert mich.
erschienen in ZUGABE 01-2024
Interview: Sarah Kugler, Björn Achenbach
Wer sagt, dass sich niemand für ältere Frauen interessiert?
von Penelope Skinner
Vor 10 Jahren vertrat ein Freund in einem Gespräch den folgenden Standpunkt: „Die Sache ist die, dass sich niemand wirklich für Frauen über 50 interessiert.“ Zu dieser Zeit arbeitete ich nicht als Schriftstellerin und ich kann mich nicht mehr an den genauen Zusammenhang erinnern, obwohl ich glaube, es hatte etwas mit den Rollen im Fernsehen zu tun. Seit Jahren habe ich diese Aussage im Kopf. Sie spukte mir auch im Kopf herum, als ich von den Entlassungen der Moderatorinnen Arlene Philipps und Miriam O’Reilly von „Strictly Come Dancing“ und „Countryfile“ las. Und sie nagte an mir, als ich davon hörte, wie Schauspielerinnen wie Harriet Walter, Julie Walters und Kristen Scott Thomas über die Rollenbeschaffenheit für ältere Frauen im Drama sprachen. Es ist laut Glenda Jackson eine Situation, die sich über die letzten zwei Jahrzehnte nicht besonders gewandelt zu haben scheint, seitdem sie die Schauspielerei aufgab, um in der Politik Karriere zu machen. Vor kurzem, aufgrund ihres Schauspiel-Comebacks, lamentierte sie in einer Zeitung: „Warum finden kreative Menschen Frauen uninteressant?“
2012, als ich an einem Projekt im National Theatre Studio arbeitete, hörte ich eine bekannte Schauspielerin über genau dieses Thema sprechen. Das war der Zeitpunkt, an dem ich entschied, ein Stück zu schreiben, welches sich auf eine Frau über 50 konzentriert – der Grundstein einer Idee, die sich schließlich in mein Stück „Linda“ verwandelte. Aber nach den ersten Funken der Inspiration geriet ich ins Stocken. Ich legte das Alter meiner Hauptfigur auf 55 fest. Aber ich fragte mich, wie ich diese Geschichte erzählen sollte. Könnte ich mit Anfang 30 den Sorgen dieser Frauen, die sich gegen Altersdiskriminierung zur Wehr setzen mussten, gerecht werden?
Dann wies mich jemand (beruhigender Weise) darauf hin, dass Arthur Miller erst 34 Jahre alt war, als er den „Tod eines Handlungsreisenden“ verfasste, in dem der Protagonist Willy Loman 63 Jahre alt ist. Ich versuchte, mich daran zu erinnern, dass meine Figur der Linda nicht alle Frauen repräsentieren oder die perfekte Repräsentation für die Anliegen sämtlicher Frauen über 50 sein musste. Ich gestand ihr zu, fehlerhaft und nicht perfekt zu sein – mit anderen Worten menschlich.
Linda arbeitet für eine fiktive Kosmetikfirma, und sie versucht eine Werbekampagne zu starten, die es älteren Frauen erlaubt, sich wieder sichtbar zu fühlen. Ihr Ziel ist es, den Schönheitsbegriff unserer Kultur zu erweitern. Ich fand es nützlich, die Geschichte in einer Welt voller möglicher Widersprüche anzusiedeln, um zu erforschen, wie das für eine Frau sein muss, die eine sehr öffentliche Agenda hat und deren private Gefühle sich nicht immer mit ihrer „Politik“ vereinbaren lassen. Linda glaubt fest daran, dass sich Frauen rotz ihrer Mängel schön fühlen sollten, aber ihr eigenes Schönheitsprogramm ist unerbittlich und umfangreich. Und obwohl es kein Paradestück ist, ermöglichte mir ihr Feldzug, einige der Fragen zu formulieren, die mich das Stück ursprünglich hatten schreiben lassen.
Ich wollte auch, dass das Stück die Frage „des Marktes“ einbezieht, da die Unterrepräsentation bestimmter Gruppen, sei es nach Geschlecht, Alter, Nation oder Sexualität, so oft mit dem Begriff des Marktes begründet wird. Zum Beispiel wurde Miriam O’Reilly fallengelassen, als ihre Sendung in die beste Sendezeit wechselte. Die Meinung der BBC-Führungskräfte war, dass eine ältere Frau das breite Publikum nicht ansprechen würde. Aber solche Entscheidungen basieren nicht auf einer objektiven Wahrheit, sie basieren auf Vorurteilen. Schließlich sind in einer alternden Bevölkerung genau diese älteren Frauen ein wichtiger und wachsender Anteil des Marktes. Und dieser falsch verstandene Begriff des Marktes beherrscht ganz ähnlich die Welt auf der Bühne und auf dem Bildschirm – und bestimmt, wem es erlaubt ist, die Hauptfigur der Geschichte zu sein, die wir zu sehen bekommen.
Die meisten von uns gehen wahrscheinlich davon aus, dass es einen bestimmten Charaktertypus gibt – weiß, mit einem Penis – der allgemeingültig ist, wohingegen die Geschichten anderer Figuren nur ein spezielles Publikum ansprechen.
Neueste Forschungen zur Kinderliteratur, welche ein großes Gefälle zwischen weiblicher und männlicher Charakterdarstellung aufweist, deuten an, dass dieser anhaltende Trend auf das zurückzuführen sein könnte, was der Kinderbuchautor Melvyn Burgess als eine Binsenweisheit im Verlagswesen bezeichnet hat, nämlich dass Mädchen Bücher mit Jungen als Helden lesen, aber Jungen keine Bücher mit Mädchen als Heldinnen.
Mich interessiert, was mit uns als Menschen geschieht, wenn wir uns nicht in der vorherrschenden Erzählung unserer Kultur reflektiert sehen. Oder wenn wir uns nur in begrenztem Maße wiederspiegeln, zum Beispiel als die junge schöne Liebe oder als Drogendealer oder als Nerd. Als ich anfing, Linda zu schreiben, sprach ich mit einer Marktforscherin, die in der Schönheitsindustrie arbeitet. Sie erzählte mir, dass eine große Sorge, die ältere Frauen in Fokusgruppen äußern, darin besteht, völlig aus der vorherrschenden Erzählung zu verschwinden. Das stimmt mit dem überein, was Harriet Walter und die anderen Schauspielerinnen gesagt haben. Aber sie sagte mir auch, dass sie von dem Gefühl sprachen, nicht mehr Protagonistinnen ihres eigenen Lebens zu sein, dass das Leben um sie herum stattfinde. Ich habe versucht, diese Idee strukturell in Linda zu integrieren. Anders als ein konventioneller Protagonist, der die Handlung vorantreibt, stellt Linda fest, dass die Dinge um sie herum geschehen, und je mehr sie sich bemüht, die Dinge geschehen zu lassen, desto schlimmer wird es für sie.
Wir alle sind die Protagonist*innen unseres Lebens. Wer soll es sonst sein? Und vielleicht ist genau das der Grund, warum wir uns danach sehnen, Geschichten zu sehen oder zu lesen, die uns am genauesten widerspiegeln. Wir wollen unseren individuellen Kampf an der breiteren politischen Kultur messen, wir wollen wissen, dass wir nicht alleine sind. Aber wir alle teilen auch im Kern dieselben Probleme: Liebe, Beziehungen, Liebeskummer, Eltern, Kinder und so weiter. Daher haben wir doch alle die Möglichkeit, uns mit jedem*er Protagonist*in zu identifizieren? Wir sollten aufhören, unsere Vorstellungskraft zu unterschätzen. Und wenn wir akzeptieren, dass jede*r Protagonist*in allgemeingültig sein kann, dann öffnen wir uns sicherlich auch dafür, voneinander zu lernen und der gleichzeitigen Identifikation miteinander. Ich hoffe, dass diejenigen, die die großen Entscheidungen darüber treffen, was wir sehen oder lesen, das langsam anerkennen: die Intendant*innen, die Programmgestalter*innen, die Buchverleger*innen, die Filmstudios. Ich hoffe, dass die Entscheidungsträger*innen, ihre Vorstellungen, was oder wer ein*e Protagonist*in sein kann, erweitern, unabhängig von den Vorurteilen über den Markt oder das Publikum. Und ich hoffe, dass die Menschen, wenn sie Linda sehen, sich in erster Linie mit Linda identifizieren. Weil sie die Hauptrolle spielt.
Der Essay erschien unter der Überschrift »Playwright Penelope Skinner: Who says nobody’s interested in older women« in der Zeitung „The Independent“. Übersetzung aus dem Englischen: Alexandra Engelmann
2012, als ich an einem Projekt im National Theatre Studio arbeitete, hörte ich eine bekannte Schauspielerin über genau dieses Thema sprechen. Das war der Zeitpunkt, an dem ich entschied, ein Stück zu schreiben, welches sich auf eine Frau über 50 konzentriert – der Grundstein einer Idee, die sich schließlich in mein Stück „Linda“ verwandelte. Aber nach den ersten Funken der Inspiration geriet ich ins Stocken. Ich legte das Alter meiner Hauptfigur auf 55 fest. Aber ich fragte mich, wie ich diese Geschichte erzählen sollte. Könnte ich mit Anfang 30 den Sorgen dieser Frauen, die sich gegen Altersdiskriminierung zur Wehr setzen mussten, gerecht werden?
Dann wies mich jemand (beruhigender Weise) darauf hin, dass Arthur Miller erst 34 Jahre alt war, als er den „Tod eines Handlungsreisenden“ verfasste, in dem der Protagonist Willy Loman 63 Jahre alt ist. Ich versuchte, mich daran zu erinnern, dass meine Figur der Linda nicht alle Frauen repräsentieren oder die perfekte Repräsentation für die Anliegen sämtlicher Frauen über 50 sein musste. Ich gestand ihr zu, fehlerhaft und nicht perfekt zu sein – mit anderen Worten menschlich.
Linda arbeitet für eine fiktive Kosmetikfirma, und sie versucht eine Werbekampagne zu starten, die es älteren Frauen erlaubt, sich wieder sichtbar zu fühlen. Ihr Ziel ist es, den Schönheitsbegriff unserer Kultur zu erweitern. Ich fand es nützlich, die Geschichte in einer Welt voller möglicher Widersprüche anzusiedeln, um zu erforschen, wie das für eine Frau sein muss, die eine sehr öffentliche Agenda hat und deren private Gefühle sich nicht immer mit ihrer „Politik“ vereinbaren lassen. Linda glaubt fest daran, dass sich Frauen rotz ihrer Mängel schön fühlen sollten, aber ihr eigenes Schönheitsprogramm ist unerbittlich und umfangreich. Und obwohl es kein Paradestück ist, ermöglichte mir ihr Feldzug, einige der Fragen zu formulieren, die mich das Stück ursprünglich hatten schreiben lassen.
Ich wollte auch, dass das Stück die Frage „des Marktes“ einbezieht, da die Unterrepräsentation bestimmter Gruppen, sei es nach Geschlecht, Alter, Nation oder Sexualität, so oft mit dem Begriff des Marktes begründet wird. Zum Beispiel wurde Miriam O’Reilly fallengelassen, als ihre Sendung in die beste Sendezeit wechselte. Die Meinung der BBC-Führungskräfte war, dass eine ältere Frau das breite Publikum nicht ansprechen würde. Aber solche Entscheidungen basieren nicht auf einer objektiven Wahrheit, sie basieren auf Vorurteilen. Schließlich sind in einer alternden Bevölkerung genau diese älteren Frauen ein wichtiger und wachsender Anteil des Marktes. Und dieser falsch verstandene Begriff des Marktes beherrscht ganz ähnlich die Welt auf der Bühne und auf dem Bildschirm – und bestimmt, wem es erlaubt ist, die Hauptfigur der Geschichte zu sein, die wir zu sehen bekommen.
Die meisten von uns gehen wahrscheinlich davon aus, dass es einen bestimmten Charaktertypus gibt – weiß, mit einem Penis – der allgemeingültig ist, wohingegen die Geschichten anderer Figuren nur ein spezielles Publikum ansprechen.
Neueste Forschungen zur Kinderliteratur, welche ein großes Gefälle zwischen weiblicher und männlicher Charakterdarstellung aufweist, deuten an, dass dieser anhaltende Trend auf das zurückzuführen sein könnte, was der Kinderbuchautor Melvyn Burgess als eine Binsenweisheit im Verlagswesen bezeichnet hat, nämlich dass Mädchen Bücher mit Jungen als Helden lesen, aber Jungen keine Bücher mit Mädchen als Heldinnen.
Mich interessiert, was mit uns als Menschen geschieht, wenn wir uns nicht in der vorherrschenden Erzählung unserer Kultur reflektiert sehen. Oder wenn wir uns nur in begrenztem Maße wiederspiegeln, zum Beispiel als die junge schöne Liebe oder als Drogendealer oder als Nerd. Als ich anfing, Linda zu schreiben, sprach ich mit einer Marktforscherin, die in der Schönheitsindustrie arbeitet. Sie erzählte mir, dass eine große Sorge, die ältere Frauen in Fokusgruppen äußern, darin besteht, völlig aus der vorherrschenden Erzählung zu verschwinden. Das stimmt mit dem überein, was Harriet Walter und die anderen Schauspielerinnen gesagt haben. Aber sie sagte mir auch, dass sie von dem Gefühl sprachen, nicht mehr Protagonistinnen ihres eigenen Lebens zu sein, dass das Leben um sie herum stattfinde. Ich habe versucht, diese Idee strukturell in Linda zu integrieren. Anders als ein konventioneller Protagonist, der die Handlung vorantreibt, stellt Linda fest, dass die Dinge um sie herum geschehen, und je mehr sie sich bemüht, die Dinge geschehen zu lassen, desto schlimmer wird es für sie.
Wir alle sind die Protagonist*innen unseres Lebens. Wer soll es sonst sein? Und vielleicht ist genau das der Grund, warum wir uns danach sehnen, Geschichten zu sehen oder zu lesen, die uns am genauesten widerspiegeln. Wir wollen unseren individuellen Kampf an der breiteren politischen Kultur messen, wir wollen wissen, dass wir nicht alleine sind. Aber wir alle teilen auch im Kern dieselben Probleme: Liebe, Beziehungen, Liebeskummer, Eltern, Kinder und so weiter. Daher haben wir doch alle die Möglichkeit, uns mit jedem*er Protagonist*in zu identifizieren? Wir sollten aufhören, unsere Vorstellungskraft zu unterschätzen. Und wenn wir akzeptieren, dass jede*r Protagonist*in allgemeingültig sein kann, dann öffnen wir uns sicherlich auch dafür, voneinander zu lernen und der gleichzeitigen Identifikation miteinander. Ich hoffe, dass diejenigen, die die großen Entscheidungen darüber treffen, was wir sehen oder lesen, das langsam anerkennen: die Intendant*innen, die Programmgestalter*innen, die Buchverleger*innen, die Filmstudios. Ich hoffe, dass die Entscheidungsträger*innen, ihre Vorstellungen, was oder wer ein*e Protagonist*in sein kann, erweitern, unabhängig von den Vorurteilen über den Markt oder das Publikum. Und ich hoffe, dass die Menschen, wenn sie Linda sehen, sich in erster Linie mit Linda identifizieren. Weil sie die Hauptrolle spielt.
Der Essay erschien unter der Überschrift »Playwright Penelope Skinner: Who says nobody’s interested in older women« in der Zeitung „The Independent“. Übersetzung aus dem Englischen: Alexandra Engelmann
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