Auf der Suche nach Lösungen
Interview mit dem Regisseur Joerg Bitterich
Wie viel Lessing steckt in "Nathans Kinder“?
Was macht „Lessing“ aus? Er ist leidenschaftlicher Aufklärer, schon als junger Schriftsteller setzt er sich für Gleichberechtigung der unterdrückten jüdischen Bevölkerung ein. Als erster deutscher Schriftsteller überhaupt macht er einen Juden zur Hauptfigur seines Stücks „Die Juden“. Eng mit ihm verknüpft ist der Begriff der Toleranz. Die Beschäftigung damit liegt bei ihm in der Familie, bereits sein Vater und Großvater, beide Geistliche, veröffentlichten Schriften zu diesem Thema. Hub greift diese Gedanken auf und spitzt sie zu. Er konzentriert sich auf die drei Vertreter der Religionen und die beiden jugendlichen Protagonisten Recha und Kurt. Schon durch den abgewandelten Titel verschiebt Hub den Schwerpunkt von Nathan auf die nachfolgende Generation.
Die Vertreter der Religionen, auch Nathan, werden sehr pragmatisch und machtorientiert gezeigt, Werte und Ideale der Religionen spielen bei allen eine untergeordnete Rolle. Man könnte schon die Hoffnung verlieren, wenn man sich nur die Mächtigen und ihr billigen Mittel und Ziele ansieht.
Hub legt den Schwerpunkt auf die Heranwachsenden Recha und Kurt und lässt sie im Lauf des Stücks eine Entwicklung nehmen: Recha vom hilfsbedürftigen Mädchen, das ganz in Abhängigkeit von ihrem Vater lebt, zu einer selbstbewussten jungen Frau, die eigenständig denkt, Gewissheiten der älteren Generation hinterfragt und einen Anspruch auf Veränderung formuliert. Und Kurt von einer Kampfmaschine, die unreflektiert die Glaubenssätze der Mächtigen nachbetet und bereit ist, das eigene Leben im Namen eines Gottes zu opfern, zu einem Freidenker, der seine menschliche Seite entdeckt und der von nun an jeden Gedanken an einen Gott ablehnt.
Am Ende des Stückes zeigt er die beiden jungen Menschen als die eigentlichen „Weisen“ im Konflikt um die wahre Religion, denn ihr Blick richtet sich nach vorne und sucht nach Lösungen, mithin einem Kompromiss, der auf gegenseitiger Toleranz beruht. Sogar der Toleranz gegenüber Nicht-Gläubigen. Die Handlung, die Argumentationslinien, der Grundkonflikt Lessings bleiben erhalten. Hub erleichtert aber durch den Einsatz von Alltagssprache den Zugang zu Text und Figuren.
Zu welcher Erkenntnis führt Hub die Auseinandersetzung mit diesem Klassiker? Kurt sagt: „Frieden wird es erst geben, wenn kein Mensch an irgendeinen Gott mehr glaubt.“ Und der vorletzte Satz des Stückes, von Nathan gesprochen, lautet „Dieser Frieden wird nicht lange dauern.“
Den Satz von Kurt würde bedeuten, dass nur gläubige Menschen Kriege und Konflikte suchen und dass umgekehrt alle Atheisten friedliebend seien. Das kann Hub nicht wörtlich meinen, ich denke, er möchte Fragen aufwerfen. Es ließe sich genauso polemisch antworten: Frieden wird es erst geben, wenn es keine Menschen mehr gibt. Oder: Wenn alle Menschen in Frieden miteinander lebten, bräuchten sie keinen Gott. Hub bietet also viel Stoff zum Nachdenken und für Diskussionen - am besten natürlich, ohne dass es zum Streit kommt. Und im Stück kommt es zwischen den drei Kontrahenten schließlich zu einem friedlichen Miteinander. Ein kurzer Moment der Utopie, bei dem alle einsehen, dass wir Menschen untrennbar miteinander verbunden sind und dass es nichts bringt, sich und die eigene Gruppe über andere Gruppen zu erheben. Nathans Weisheit - oder sein Pessimismus? - lässt ihn erkennen, dass dieser Moment der Einigkeit nur von kurzer Dauer sein wird. Wir Menschen, so verstehe ich ihn, könnten so viel weiter sein, es zeigt sich ja in diesem Augenblick. Aber dann fallen alle wieder zurück in alte Muster und die Mauer, die Grenze, die in unserem Bühnenbild die zentrale Rolle spielt, dominieren aufs Neue das Zusammenleben. Und keine Hoffnung auf Veränderung ist in Sicht. Oder - mit Blick auf die junge Generation - etwa doch?
Welche Bedeutung kommt der Ringparabel bei Hub zu?
Hub nimmt der Ringparabel die Schwere und Bedeutung, indem er sie spielerisch aus der Szene entwickelt. Dadurch wirkt sie weniger wie eine Predigt und lässt sich inhaltlich leichter fassen. Trotz aller Leichtigkeit und Kürze stellt er sie ans Ende des Stücks, dadurch bleibt sie einer der Höhepunkte.
Interview: Alexandra Engelmann
Was macht „Lessing“ aus? Er ist leidenschaftlicher Aufklärer, schon als junger Schriftsteller setzt er sich für Gleichberechtigung der unterdrückten jüdischen Bevölkerung ein. Als erster deutscher Schriftsteller überhaupt macht er einen Juden zur Hauptfigur seines Stücks „Die Juden“. Eng mit ihm verknüpft ist der Begriff der Toleranz. Die Beschäftigung damit liegt bei ihm in der Familie, bereits sein Vater und Großvater, beide Geistliche, veröffentlichten Schriften zu diesem Thema. Hub greift diese Gedanken auf und spitzt sie zu. Er konzentriert sich auf die drei Vertreter der Religionen und die beiden jugendlichen Protagonisten Recha und Kurt. Schon durch den abgewandelten Titel verschiebt Hub den Schwerpunkt von Nathan auf die nachfolgende Generation.
Die Vertreter der Religionen, auch Nathan, werden sehr pragmatisch und machtorientiert gezeigt, Werte und Ideale der Religionen spielen bei allen eine untergeordnete Rolle. Man könnte schon die Hoffnung verlieren, wenn man sich nur die Mächtigen und ihr billigen Mittel und Ziele ansieht.
Hub legt den Schwerpunkt auf die Heranwachsenden Recha und Kurt und lässt sie im Lauf des Stücks eine Entwicklung nehmen: Recha vom hilfsbedürftigen Mädchen, das ganz in Abhängigkeit von ihrem Vater lebt, zu einer selbstbewussten jungen Frau, die eigenständig denkt, Gewissheiten der älteren Generation hinterfragt und einen Anspruch auf Veränderung formuliert. Und Kurt von einer Kampfmaschine, die unreflektiert die Glaubenssätze der Mächtigen nachbetet und bereit ist, das eigene Leben im Namen eines Gottes zu opfern, zu einem Freidenker, der seine menschliche Seite entdeckt und der von nun an jeden Gedanken an einen Gott ablehnt.
Am Ende des Stückes zeigt er die beiden jungen Menschen als die eigentlichen „Weisen“ im Konflikt um die wahre Religion, denn ihr Blick richtet sich nach vorne und sucht nach Lösungen, mithin einem Kompromiss, der auf gegenseitiger Toleranz beruht. Sogar der Toleranz gegenüber Nicht-Gläubigen. Die Handlung, die Argumentationslinien, der Grundkonflikt Lessings bleiben erhalten. Hub erleichtert aber durch den Einsatz von Alltagssprache den Zugang zu Text und Figuren.
Zu welcher Erkenntnis führt Hub die Auseinandersetzung mit diesem Klassiker? Kurt sagt: „Frieden wird es erst geben, wenn kein Mensch an irgendeinen Gott mehr glaubt.“ Und der vorletzte Satz des Stückes, von Nathan gesprochen, lautet „Dieser Frieden wird nicht lange dauern.“
Den Satz von Kurt würde bedeuten, dass nur gläubige Menschen Kriege und Konflikte suchen und dass umgekehrt alle Atheisten friedliebend seien. Das kann Hub nicht wörtlich meinen, ich denke, er möchte Fragen aufwerfen. Es ließe sich genauso polemisch antworten: Frieden wird es erst geben, wenn es keine Menschen mehr gibt. Oder: Wenn alle Menschen in Frieden miteinander lebten, bräuchten sie keinen Gott. Hub bietet also viel Stoff zum Nachdenken und für Diskussionen - am besten natürlich, ohne dass es zum Streit kommt. Und im Stück kommt es zwischen den drei Kontrahenten schließlich zu einem friedlichen Miteinander. Ein kurzer Moment der Utopie, bei dem alle einsehen, dass wir Menschen untrennbar miteinander verbunden sind und dass es nichts bringt, sich und die eigene Gruppe über andere Gruppen zu erheben. Nathans Weisheit - oder sein Pessimismus? - lässt ihn erkennen, dass dieser Moment der Einigkeit nur von kurzer Dauer sein wird. Wir Menschen, so verstehe ich ihn, könnten so viel weiter sein, es zeigt sich ja in diesem Augenblick. Aber dann fallen alle wieder zurück in alte Muster und die Mauer, die Grenze, die in unserem Bühnenbild die zentrale Rolle spielt, dominieren aufs Neue das Zusammenleben. Und keine Hoffnung auf Veränderung ist in Sicht. Oder - mit Blick auf die junge Generation - etwa doch?
Welche Bedeutung kommt der Ringparabel bei Hub zu?
Hub nimmt der Ringparabel die Schwere und Bedeutung, indem er sie spielerisch aus der Szene entwickelt. Dadurch wirkt sie weniger wie eine Predigt und lässt sich inhaltlich leichter fassen. Trotz aller Leichtigkeit und Kürze stellt er sie ans Ende des Stücks, dadurch bleibt sie einer der Höhepunkte.
Interview: Alexandra Engelmann