Poetisch und politisch

Für die Regisseurin Milena Paulovics ist „Ronja Räubertochter“ mehr als nur eine schöne Geschichte für Kinder. Denn sie spielt im Mattiswald.
Foto: Lisa Plesiutschnig
Eine der schönsten Geschichten für Kinder – das ist „Ronja Räubertochter“ für mich. Sie balanciert auf dem Grat zwischen spielerischem Humor, wilder Derbheit und fantastischer Mythenwelt – und lebt zugleich von thematischer Tiefe und einer faszinierenden Vielschichtigkeit. Damit spricht sie Kinder verschiedenen Alters und Erwachsene gleichermaßen an, weil wir sie im Theater auf mehreren Ebenen erzählen können. Der Stoff begleitet mich schon lange, und ich freue mich, ihn jetzt mit meinem wunderbaren Ensemble in Potsdam zeigen zu können.

Für mich ist das Stück poetisch und politisch zugleich. In der fantastischen Abenteuergeschichte steckt ein Gegenentwurf zu dem ewig alten Glauben, Gewalt sei ein sinnvolles Mittel zur Lösung von Konflikten. Wir zeigen eine Freundschaft, die stärker ist als der Hass zweier verfeindeter Gruppen, der von Generation zu Generation weitergegeben wird. Durch ihre Begegnung mit Birk begreift Ronja zudem, dass es viele Geschöpfe gibt, die alle ein Recht auf einen Platz in der Welt haben – die Rumpelwichte genauso wie die Graugnome, die gefährlichen Wilddruden oder die erst so gehassten Borkaräuber.

Während Ronja beginnt, sich zu lösen und selbstständig zu werden, durchläuft ihr Vater Mattis einen schmerzhaften Prozess – bis es ihm gelingt zu erkennen, dass er seine Tochter loslassen muss, wenn er sie nicht verlieren will. Es ist eine Geschichte, die Mut macht, wie so viele der wunderbaren Geschichten von Astrid Lindgren. Sie macht Mut, den eigenen Weg zu gehen, sich der Angst vor dem Unbekannten zu stellen und unterscheiden zu lernen, wann Angst lebenserhaltend ist und wann es sich lohnt, sie zu überwinden. In den letzten Wochen hat die Frage, welchen Wert wir einem Jahrhunderte alten Wald geben wollen, in der öffentlichen Diskussion eine wichtige Rolle gespielt, und es bedeutet mir viel, mit unserem Stück darauf reagieren zu können. So ist „Ronja Räubertochter“ für mich auch ein starkes Plädoyer für einen respektvollen Umgang mit der Welt, in der wir leben.