Interview mit der Regisseurin Angelika Zacek
Was interessiert Dich an dem Stück besonders?
Sehr interessant und spannend fand ich die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit von Europa und mit der Zukunft, weil wir gerade an einem Wendepunkt stehen.
Zerstörung und Aufbau sind die Leitthemen in Deiner Inszenierung, die wir auch auf der Bühne widergespiegelt finden. Warum hast Du Dich dafür entschieden?
Es ist das, was die Menschen über ganz lange Zeit hinweg in Europa gemacht haben. Sie haben zerstört, und sie haben voller Hoffnung wiederaufgebaut, wieder zerstört, wieder neu aufgebaut und es wär toll, wenn wir es ohne Zerstörung hinkriegen würden, dass es sich einfach nur ändert. Dass das Leben dem Wandel unterliegt, das ist, glaube ich, eine Tatsache.
Konstantin Küsperts Stück ist eine freche, oft ironische Szenen-Collage. Wie gehst Du mit diesen Ironisierungen in der Inszenierung um?
Unterschiedlich. Manchmal bediene ich die Ironisierungen, manchmal überhöhe ich sie und manchmal gehe ich eher in den Ernst hinein. Manchmal breche ich sie und manchmal nehme ich sie ernster als er sie nimmt.
Europa besetzt du chorisch, anstatt durch eine einzelne Schauspielerin. Warum?
Ich finde, Mythologie hat eine andere Größe, und deshalb war es mir wichtig, eine theatrale Form der Überhöhung dafür zu finden. Deswegen habe ich das chorisch besetzt. Für mich ist der Kontinent Europa auch vielfältig, und diese Vielfalt wollte ich zeigen. Ich wollte Veränderung zeigen, und deshalb wird das auch so unterschiedlich besetzt. Es geht dabei auch weniger um Europa als Mädchen, als mythologische Figur, sondern um Europa im Großen und Ganzen.
Du bist im Vorstand von „PRO QUOTE BÜHNE“, eine Gruppe Theaterschaffender, die sich für eine paritätische Besetzung in allen künstlerischen Bereichen stark macht. Am Anfang der Gründung „Europas“ steht eine Vergewaltigung. Genau vor einem Jahr wurde #MeToo ins Leben gerufen. Wie gehst du angesichts der Debatte über Sexismus und Machtmissbrauch mit der Vergewaltigung der phönizischen Prinzessin durch Zeus auf der Bühne um?
Sehr gut, denn ich zeige sehr berührende Bilder, weil es mir wichtig ist, dass das Publikum nicht nur textlich und intellektuell mitgenommen wird, sondern eben auch emotional. Und es gibt zwanzig Vergewaltigungen deutschlandweit jeden Tag, die werden angezeigt. Die Dunkelziffer ist viel höher. Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Mann oder Ex-Mann ermordet, das hat auch ganz viel mit Macht zu tun. Ich finde es wichtig, dass wir über Vergewaltigung und Machtmissbrauch sprechen und das auch zeigen auf der Bühne. Es auszublenden, wäre fatal. Es wird ja nicht weniger,nur weil man es nicht auf der Bühne zeigt. Es muss zum Thema werden. Durch #MeToo ist es zum Thema geworden, der Machtmissbrauch. Und dafür muss man ein Bewusstsein schaffen, um Veränderungen herbeizuführen. Natürlich ist Machtmissbrauch nicht per se männlich konnotiert. Es gibt noch eine weitere Ebene bei diesem szenischen Vorgang: Rassismus. Es gibt immer wieder Situationen, in denen Menschen gequält und geschlagen werden. Das ist auch ein Bild, das darin enthalten ist, mit dem wir uns beschäftigen müssen in unserer heutigen Zeit. Und dann ist noch eine Ebene drinnen: die Zerstörung Europas. Danach hat sie ja erst begonnen, die EU. Und die Vergewaltigung Europas ist auch zu sehen als der 2. Weltkrieg, wo ganz Europa zerstört worden ist. Es gibt da wirklich mehrere Ebenen, die man entdecken kann, mit denen wir spielen im Sinne von assoziativ umgehen. Ich hoffe, dass es bei dieser ganzen Bilderflut eine Offenheit gibt,dass es angenommen, erkannt wird und sich die Bilder verdeutlichen. Kann Theater auf unsere reale Welt Einfluss nehmen? Auf jeden Fall, sonst würde ich wahrscheinlich gar nicht Theater machen. Alles hat Einfluss aufeinander. Wir können uns davon nicht freimachen.
Was wünschst du dir,sollen die Zuschauer*innen aus dem Theaterabend als Anregung mit nach Hause nehmen?
Ich würde es mir nicht anmaßen, ich kann nur einen Wunsch formulieren, was ich gern hätte, wie sie reinkommen, wie sie es betrachten. Ich wünsche mir eine Offenheit und auch, dass die szenischen Vorgänge und auch die gebauten Bilder als ein Teil der Geschichte wahrgenommen werden, die da erzählt wird. Es ist ja nicht nur ein Text, es ist Theater. Dass man diese Bilder auch mitnimmt, interpretiert, auf sich wirken lässt und schaut, was macht es mit einem. Was ist deine persönliche Haltung zu Europa und der EU? Ich wünsche mir, dass die demokratischen Werte beibehalten und auch wirklich gelebt werden. Das ist ja auch noch nicht alles durch mit der Gleichstellung zum Beispiel. Man muss sie jetzt stark bewahren, es steht ja nicht für Lebenszeiten fest, dass das so bleibt. Man muss schauen, dass man das jetzt noch leben und verbessern kann, das wäre wichtig.
Europa verteidigen,retten oder weiterdenken?
Weiterdenken, denn ich glaube, die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung.
Das Interview führte Alexandra Engelmann
Sehr interessant und spannend fand ich die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit von Europa und mit der Zukunft, weil wir gerade an einem Wendepunkt stehen.
Zerstörung und Aufbau sind die Leitthemen in Deiner Inszenierung, die wir auch auf der Bühne widergespiegelt finden. Warum hast Du Dich dafür entschieden?
Es ist das, was die Menschen über ganz lange Zeit hinweg in Europa gemacht haben. Sie haben zerstört, und sie haben voller Hoffnung wiederaufgebaut, wieder zerstört, wieder neu aufgebaut und es wär toll, wenn wir es ohne Zerstörung hinkriegen würden, dass es sich einfach nur ändert. Dass das Leben dem Wandel unterliegt, das ist, glaube ich, eine Tatsache.
Konstantin Küsperts Stück ist eine freche, oft ironische Szenen-Collage. Wie gehst Du mit diesen Ironisierungen in der Inszenierung um?
Unterschiedlich. Manchmal bediene ich die Ironisierungen, manchmal überhöhe ich sie und manchmal gehe ich eher in den Ernst hinein. Manchmal breche ich sie und manchmal nehme ich sie ernster als er sie nimmt.
Europa besetzt du chorisch, anstatt durch eine einzelne Schauspielerin. Warum?
Ich finde, Mythologie hat eine andere Größe, und deshalb war es mir wichtig, eine theatrale Form der Überhöhung dafür zu finden. Deswegen habe ich das chorisch besetzt. Für mich ist der Kontinent Europa auch vielfältig, und diese Vielfalt wollte ich zeigen. Ich wollte Veränderung zeigen, und deshalb wird das auch so unterschiedlich besetzt. Es geht dabei auch weniger um Europa als Mädchen, als mythologische Figur, sondern um Europa im Großen und Ganzen.
Du bist im Vorstand von „PRO QUOTE BÜHNE“, eine Gruppe Theaterschaffender, die sich für eine paritätische Besetzung in allen künstlerischen Bereichen stark macht. Am Anfang der Gründung „Europas“ steht eine Vergewaltigung. Genau vor einem Jahr wurde #MeToo ins Leben gerufen. Wie gehst du angesichts der Debatte über Sexismus und Machtmissbrauch mit der Vergewaltigung der phönizischen Prinzessin durch Zeus auf der Bühne um?
Sehr gut, denn ich zeige sehr berührende Bilder, weil es mir wichtig ist, dass das Publikum nicht nur textlich und intellektuell mitgenommen wird, sondern eben auch emotional. Und es gibt zwanzig Vergewaltigungen deutschlandweit jeden Tag, die werden angezeigt. Die Dunkelziffer ist viel höher. Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Mann oder Ex-Mann ermordet, das hat auch ganz viel mit Macht zu tun. Ich finde es wichtig, dass wir über Vergewaltigung und Machtmissbrauch sprechen und das auch zeigen auf der Bühne. Es auszublenden, wäre fatal. Es wird ja nicht weniger,nur weil man es nicht auf der Bühne zeigt. Es muss zum Thema werden. Durch #MeToo ist es zum Thema geworden, der Machtmissbrauch. Und dafür muss man ein Bewusstsein schaffen, um Veränderungen herbeizuführen. Natürlich ist Machtmissbrauch nicht per se männlich konnotiert. Es gibt noch eine weitere Ebene bei diesem szenischen Vorgang: Rassismus. Es gibt immer wieder Situationen, in denen Menschen gequält und geschlagen werden. Das ist auch ein Bild, das darin enthalten ist, mit dem wir uns beschäftigen müssen in unserer heutigen Zeit. Und dann ist noch eine Ebene drinnen: die Zerstörung Europas. Danach hat sie ja erst begonnen, die EU. Und die Vergewaltigung Europas ist auch zu sehen als der 2. Weltkrieg, wo ganz Europa zerstört worden ist. Es gibt da wirklich mehrere Ebenen, die man entdecken kann, mit denen wir spielen im Sinne von assoziativ umgehen. Ich hoffe, dass es bei dieser ganzen Bilderflut eine Offenheit gibt,dass es angenommen, erkannt wird und sich die Bilder verdeutlichen. Kann Theater auf unsere reale Welt Einfluss nehmen? Auf jeden Fall, sonst würde ich wahrscheinlich gar nicht Theater machen. Alles hat Einfluss aufeinander. Wir können uns davon nicht freimachen.
Was wünschst du dir,sollen die Zuschauer*innen aus dem Theaterabend als Anregung mit nach Hause nehmen?
Ich würde es mir nicht anmaßen, ich kann nur einen Wunsch formulieren, was ich gern hätte, wie sie reinkommen, wie sie es betrachten. Ich wünsche mir eine Offenheit und auch, dass die szenischen Vorgänge und auch die gebauten Bilder als ein Teil der Geschichte wahrgenommen werden, die da erzählt wird. Es ist ja nicht nur ein Text, es ist Theater. Dass man diese Bilder auch mitnimmt, interpretiert, auf sich wirken lässt und schaut, was macht es mit einem. Was ist deine persönliche Haltung zu Europa und der EU? Ich wünsche mir, dass die demokratischen Werte beibehalten und auch wirklich gelebt werden. Das ist ja auch noch nicht alles durch mit der Gleichstellung zum Beispiel. Man muss sie jetzt stark bewahren, es steht ja nicht für Lebenszeiten fest, dass das so bleibt. Man muss schauen, dass man das jetzt noch leben und verbessern kann, das wäre wichtig.
Europa verteidigen,retten oder weiterdenken?
Weiterdenken, denn ich glaube, die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung.
Das Interview führte Alexandra Engelmann