Heinrich von Kleist
Heinrich von Kleist wurde am 18.Oktober 1777 als Spross eines militärgeschichtlich bedeutenden preußischen Adelsgeschlechts in Frankfurt an der Oder geboren. Große gesellschaftliche Umbrüche und ein fast permanenter Kriegszustand markierten den Horizont seines Lebens. Sein Vater Joachim Friedrich war Bataillonschef. Kleists Eltern starben beide früh. 1792 wurde der vierzehnjährige Heinrich als Unteroffizier in das Potsdamer Regiment Garde aufgenommen. Bereits wenig später war er an Kampfhandlungen im Ersten Koalitionskrieg gegen Frankreich beteiligt. Im Frühjahr 1799 machte Kleist einen im Blick auf die Familientradition ganz unerhörten Schritt: Er bat um den Abschied aus der Armee. Daraufhin begann er an der Universität in Frankfurt/Oder zu studieren und verlobte sich halboffiziell mit Wilhelmine von Zenge, Tochter eines Regimentskommandeurs. Im November 1800 brach er das Studium wieder ab.
Kleists Briefe aus dieser Zeit vermitteln das Bild unglücklicher Orientierungslosigkeit. Seine Beschäftigung mit der Philosophie Immanuel Kants führte zu der sogenannten „Kant-Krise“: Dass der Mensch nie die Wahrheit an sich erkennen könne, sondern nur eine durch den subjektiv gefärbten Wahrnehmungsapparat vermittelte, dieser Gedanke trieb Kleist in die Verzweiflung. So sind auch seine literarischen Figuren häufig mit einem Geschehen konfrontiert, das rätselhaft und unverständlich erscheint. Weniger die bewussten Entscheidungen und autonomen Taten der Menschen oder ein sinnvoll lenkendes Schicksal steuern die Handlung, sondern eher Zufälle, Träume, Gefühle, irrationale Verhaltensmuster. Wer sich auf die äußeren Anzeichen der Wirklichkeit oder die Vernunft verlässt, geht zumeist auf verhängnisvolle Weise in die Irre. In Kleists literarischem Kosmos ist Wahrheit nie eindeutig, sondern manifestiert sich im Zugleich des Widersprüchlichen: Schmerz und Lust, Schönes und Schreckliches, Schmutz und Glanz, Krieg und Liebe – das alles ist bei diesem Autor untrennbar miteinander verbunden. In der dieser von Ambivalenz geprägten literarischen Wirklichkeit sind sich die Figuren häufig selbst ein Rätsel. Kein Zufall ist es, dass Kleist zu den Lieblingsautoren Franz Kafkas gehörte.
Im April 1801 begab sich Kleist auf eine lange Reise; bis zu seinem frühen Tod wird er nur noch selten und für kurze Phasen einen festen Wohnsitz haben. Zahlreiche Aufbrüche und Abbrüche kennzeichnen seinen Lebensweg. Die Reise-Route 1801 führte ihn über Dresden, Straßburg und Paris in die Schweiz. Dort hatte er die Idee, sich als Bauer auf einem Hof niederzulassen und ganz im Einklang mit der Natur zu leben. Im Mai 1802 vollzog er von der Schweiz aus per Brief die Trennung von seiner Verlobten. Auf einer Insel im Thuner See begann er mit dem Schreiben literarischer Texte. Sein erstes Theaterstück „Die Familie Schroffenstein“ wurde 1804 in Graz uraufgeführt. Nach verschiedenen Irrungen und Wirrungen, nachdem auch sein literarisches Großprojekt „Robert Guiskard“ gescheitert war, kehrte er – körperlich und seelisch schwer angeschlagen – 1804 nach Berlin zurück, um eine Ausbildung als preußischer Finanzbeamter anzutreten. Zugleich setzte Kleist seine schriftstellerische Tätigkeit fort; es entstanden u.a. „Der zerbrochene Krug“ und „Amphitryon“. Nachdem er 2007 einige Monate wegen Spionageverdachts in französischer Kriegsgefangenschaft verbringen musste, ging es Mitte 2007 nach Dresden, wo Kleist von Freunden in literarische Zirkel eingeführt wurde, die ihn als jungen Dichter feierten. Immerhin waren jetzt schon einige seiner Werke gedruckt. Mit dem Privatgelehrten Adam Müller gründete er die Literaturzeitschrift „Phöbus“. Kleist hoffte, endlich mit Literatur seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können und für neue Texte – einige seiner Erzählungen sowie die „Penthesilea“ waren fertiggestellt – ein Publikationsforum zur Verfügung zu haben. Doch wieder einmal scheiterten die hochfliegenden Pläne.
Anfang 1810 kehrte Kleist nach Berlin zurück, seine Finanzlage war katastrophal. Doch im Oktober 1810 begann er wieder mit einem Zeitungsprojekt: Die von ihm herausgegebenen „Berliner Abendblätter“ starteten zunächst sehr erfolgreich. Dann aber trieben die preußische Zensur sowie die konkurrierenden Zeitungsverlage das Blatt und damit auch seinen Herausgeber in den Ruin. Zwar erschien im Herbst 1810 der erste Band seiner Erzählungen, in dem auch „Michael Kohlhaas“ das Licht der literarischen Öffentlichkeit erblickte; dennoch: Als Dramatiker, Erzähler und Journalist wurde Kleist nie die öffentliche Anerkennung zuteil, die er stets so sehr ersehnt hatte. In dieser Situation tat sich Kleist mit der schwer krebskranken Henriette Vogel zusammen, um gemeinsam zu sterben. Am 21.11.1811 am Kleinen Wannsee bei Potsdam schoss Kleist zunächst Henriette ins Herz und daraufhin sich selbst in den Mund, nachdem die beiden ihren letzten Tag in gelöster, ja fast heiterer Stimmung verbracht hatten. Im Abschiedsbrief an seine Halbschwester Ulrike schrieb er: „Die Wahrheit ist, dass mir auf Erden nicht zu helfen war“.
Christopher Hanf
Kleists Briefe aus dieser Zeit vermitteln das Bild unglücklicher Orientierungslosigkeit. Seine Beschäftigung mit der Philosophie Immanuel Kants führte zu der sogenannten „Kant-Krise“: Dass der Mensch nie die Wahrheit an sich erkennen könne, sondern nur eine durch den subjektiv gefärbten Wahrnehmungsapparat vermittelte, dieser Gedanke trieb Kleist in die Verzweiflung. So sind auch seine literarischen Figuren häufig mit einem Geschehen konfrontiert, das rätselhaft und unverständlich erscheint. Weniger die bewussten Entscheidungen und autonomen Taten der Menschen oder ein sinnvoll lenkendes Schicksal steuern die Handlung, sondern eher Zufälle, Träume, Gefühle, irrationale Verhaltensmuster. Wer sich auf die äußeren Anzeichen der Wirklichkeit oder die Vernunft verlässt, geht zumeist auf verhängnisvolle Weise in die Irre. In Kleists literarischem Kosmos ist Wahrheit nie eindeutig, sondern manifestiert sich im Zugleich des Widersprüchlichen: Schmerz und Lust, Schönes und Schreckliches, Schmutz und Glanz, Krieg und Liebe – das alles ist bei diesem Autor untrennbar miteinander verbunden. In der dieser von Ambivalenz geprägten literarischen Wirklichkeit sind sich die Figuren häufig selbst ein Rätsel. Kein Zufall ist es, dass Kleist zu den Lieblingsautoren Franz Kafkas gehörte.
Im April 1801 begab sich Kleist auf eine lange Reise; bis zu seinem frühen Tod wird er nur noch selten und für kurze Phasen einen festen Wohnsitz haben. Zahlreiche Aufbrüche und Abbrüche kennzeichnen seinen Lebensweg. Die Reise-Route 1801 führte ihn über Dresden, Straßburg und Paris in die Schweiz. Dort hatte er die Idee, sich als Bauer auf einem Hof niederzulassen und ganz im Einklang mit der Natur zu leben. Im Mai 1802 vollzog er von der Schweiz aus per Brief die Trennung von seiner Verlobten. Auf einer Insel im Thuner See begann er mit dem Schreiben literarischer Texte. Sein erstes Theaterstück „Die Familie Schroffenstein“ wurde 1804 in Graz uraufgeführt. Nach verschiedenen Irrungen und Wirrungen, nachdem auch sein literarisches Großprojekt „Robert Guiskard“ gescheitert war, kehrte er – körperlich und seelisch schwer angeschlagen – 1804 nach Berlin zurück, um eine Ausbildung als preußischer Finanzbeamter anzutreten. Zugleich setzte Kleist seine schriftstellerische Tätigkeit fort; es entstanden u.a. „Der zerbrochene Krug“ und „Amphitryon“. Nachdem er 2007 einige Monate wegen Spionageverdachts in französischer Kriegsgefangenschaft verbringen musste, ging es Mitte 2007 nach Dresden, wo Kleist von Freunden in literarische Zirkel eingeführt wurde, die ihn als jungen Dichter feierten. Immerhin waren jetzt schon einige seiner Werke gedruckt. Mit dem Privatgelehrten Adam Müller gründete er die Literaturzeitschrift „Phöbus“. Kleist hoffte, endlich mit Literatur seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können und für neue Texte – einige seiner Erzählungen sowie die „Penthesilea“ waren fertiggestellt – ein Publikationsforum zur Verfügung zu haben. Doch wieder einmal scheiterten die hochfliegenden Pläne.
Anfang 1810 kehrte Kleist nach Berlin zurück, seine Finanzlage war katastrophal. Doch im Oktober 1810 begann er wieder mit einem Zeitungsprojekt: Die von ihm herausgegebenen „Berliner Abendblätter“ starteten zunächst sehr erfolgreich. Dann aber trieben die preußische Zensur sowie die konkurrierenden Zeitungsverlage das Blatt und damit auch seinen Herausgeber in den Ruin. Zwar erschien im Herbst 1810 der erste Band seiner Erzählungen, in dem auch „Michael Kohlhaas“ das Licht der literarischen Öffentlichkeit erblickte; dennoch: Als Dramatiker, Erzähler und Journalist wurde Kleist nie die öffentliche Anerkennung zuteil, die er stets so sehr ersehnt hatte. In dieser Situation tat sich Kleist mit der schwer krebskranken Henriette Vogel zusammen, um gemeinsam zu sterben. Am 21.11.1811 am Kleinen Wannsee bei Potsdam schoss Kleist zunächst Henriette ins Herz und daraufhin sich selbst in den Mund, nachdem die beiden ihren letzten Tag in gelöster, ja fast heiterer Stimmung verbracht hatten. Im Abschiedsbrief an seine Halbschwester Ulrike schrieb er: „Die Wahrheit ist, dass mir auf Erden nicht zu helfen war“.
Christopher Hanf